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Je tiefer, desto Kröger

Kai Huckenbeck schildert die Auswirkungen der vielen Regeländerungen vor Beginn der Speedway-WM 2025.

 

klar, etwas Umgewöhnung ist schon dabei. Es gibt für die WM-Saison 2025 die vielleicht größte Regeländerung seit der Einführung des Grand Prix-Modus, der Mitte der Neunziger das altehrwürdige K.O.-System mit einem Weltfinale abgelöst hat.

Seinerzeit war ich gut zwei Jahre alt und lebte noch mit der Familie in Wuppertal. Da hatte keiner von uns irgendwas mit Speedway zu tun. Ich war also nicht nur noch zu jung, um mich daran überhaupt erinnern zu können – ich hätte wegen meiner damaligen Lebensumstände auch ohnehin nichts davon mitbekommen. Denn ich habe mich ja erst für Bahnsport interessiert, nachdem wir mit der Familie nach Werlte gezogen sind.

Jetzt stecke ich natürlich mittendrin in der Regelnovelle. Aber ich muss ehrlich sagen: Sie juckt mich auch nicht allzu viel. Denn auch wenn Andere im Winter viele Worte darüber verloren haben – ich bin der Ansicht, für meine Herangehensweise als Fahrer ändert sich nicht allzu viel. Selbstverständlich nehme ich immer das beste Motorrad und versuch’, so weit wie möglich zu kommen. Das gilt fürs Training und die Qualifikation genauso wie fürs Rennen. Und daran ändert sich auch nichts, nur weil man das Format angepasst und neu gestaltet hat.

Im Großen und Ganzen ändert sich auch bei den Abläufen nicht allzu viel. Wir hatten früher entweder auch drei Mal Freies Training oder bei manchen Grands Prix zwei Trainings und das 2024 neu eingeführte Sprintrennen, bei dem es extra WM-Punkte gibt.

Jetzt werden für die Trainingsnachmittage neue Abläufe eingeführt. Aber im schlimmsten Fall ist man immer noch drei Mal auf der Bahn, kann also das Programm für die Vorbereitung genauso durchziehen wie in der Vergangenheit. Und wenn’s gut läuft, fährt man ja sogar noch öfter. Und jede Runde auf der Maschine hilft, die Bahn und deren Entwicklung zu beobachten und sich so gut wie möglich auf den Rennabend einzustellen.

Die Nachmittage beginnen mit zwei Freien Trainings. Die heißen jetzt wie in der Formel 1 „FP1“ und „FP2“. In diesen beiden Sitzungen fahre ich jeweils mit anderen Maschinen – und teste so aus, welche Motorisierung besser zu den Bahnbedingungen passt. Bei den ersten drei Ligarennen in Polen fuhr ich noch mit Motoren von Bert van Essen aus den Niederlanden; die sind für die eher glatten polnischen Bahnen besser geeignet. Ich habe ja auch in allen drei Ligarennen zweistellig gepunktet – auch beim letzten. Da haben wir zwar auswärts in Leszno verloren, aber ich habe am Wochenende vor Landshut 11+1 Punkte geholt und in 60,91 Sekunden auch den schnellsten Lauf des Tages gefahren.

Tendenziell lautet der Plan, vor den WM-Grands Prix ein Training mit einem BVE- und das zweite mit einem Motor von Matten Kröger zu bestreiten – und dann für die Duelle, also die neu eingeführten Elemente des Trainings, schon die besser passende Motorisierung auszuwählen. Wobei die Faustregel gilt: je tiefer, desto Kröger. Und man sieht ja meist schon beim ersten Blick, spätestens aber wenn man ein Mal auf der Bahn gewesen ist, wie tief oder hart Renndirektor Phil Morris die Bahn hat vorbereiten lassen.

Es kann auch durchaus passieren, dass ich in den beiden Freien Trainings zwei verschiedene BVE- oder zwei unterschiedlich abgestimmte Kröger-Motoren im Vergleichstest fahre – je nachdem, wie glatt oder tief die Bahn ist. Matten Kröger wird mir übrigens auch dann in der Box helfen, wenn ich mit van Essen-Motoren fahre; seine Unterstützung ist nicht daran gebunden, dass ich Kröger-Motoren fahren muss. Der einzige Unterschied: Er braucht dann keine Daten aus der digitalen Zündung auszulesen, denn die Digi-Box fahre ich nur im Zusammenspiel mit Kröger-Motoren. Wenn ich mich für BVE entscheide, dann immer auch deswegen, weil ich mich auf die bewährte Technik und die Erfahrungswerte verlassen möchte. Und zu diesem Bewährten gehört dann auch eine klassische Zündung ohne digitale Box und Computerauswertung.

Im Idealfall steht also nach den beiden Freien Trainings fest, welches Motorrad ich fahre. Dann kann ich entsprechend in die Duellphase hineingehen. Die heißt ebenfalls genau wie in der Formel 1 „Q1“ und „Q2“. Vor Q1 werden aus allen Fahrern jeweils Pärchen gelost. Und diese Zweiergruppen sind dann in Q1 jeweils für eine Minute gemeinsam auf der Bahn. Sie fahren zu zweit fliegende Runden, also keine Starts, und gehen in diesen Geisterrennen gegeneinander auf Zeitenjagd. Wer innerhalb der zwei Minuten die bessere Zeit über eine fliegende Runde hinknallt, gewinnt das Duell – und zieht in Q2 ein. Dort kommt es dann zum nächsten einminütigen Duell mit dem Sieger eines weiteren Zweikampfs aus Q1.

So reduziert sich das Feld wie beim Tennis von acht Partien auf vier Duelle – und bei manchen Rennen auf einen Sprintlauf, in dem die vier Zweikampfsieger, also Schnellsten, aus Q2 aufeinandertreffen. Die Sprints sind dann wie 2024 ganz normale Heats über vier Runden. Es gibt sie dieses Jahr in Landshut, Warschau, dem Manchester-Freitag, Landsberg und Breslau.

Bei den anderen Veranstaltungen, bei denen es keinen Sprintlauf gibt, treffen die vier Schnellsten aus den Q2-Duos im freien Fahren für eine Minute in einem inoffiziellen Finale ohne Start aufeinander. Da gibt’s dann auch keine extra WM-Punkte; der Schnellste darf lediglich als Erster seinen Platz im Rennprogramm für den Abend wählen. Die langsameren Fahrer folgen entsprechend.

Wie genau man die Duelle angeht, kommt darauf an, wie die eigene Zeit im ersten und zweiten Freien Training gewesen ist. Wenn man dort ein Setup gefunden hat, auf dem man sich wohl fühlt, greift man voll an und versucht, so weit wie möglich zu kommen, im Idealfall bis in den Sprint. Wenn man allerdings im Wald steht, kann es auch sein, dass man Q1 opfern muss, um weiter an der Abstimmung zu arbeiten und sich optimal für den Abend vorzubereiten. Das kann allerdings gefährlich werden – denn dann fliegt man in Q1 womöglich schon raus und darf auch entsprechend spät erst seine Startplätze für den eigentlichen Grand Prix wählen.

Ich finde die Neuerung spannend. Es ist mal was Anderes, und es verleiht dem Training eine zusätzliche Dynamik und auch quasi eine doppelte Bewandtnis. Ich bin da offen für Neues. Das mag bei Manchen anders sein – aber ich bin auch noch nicht so lange im Grand Prix dabei. Und and der Vorbereitung als solche ändert das neue Format sowieso nichts.

Das gilt auch für die Verkürzung jener Frist, binnen der man aus dem Fahrerlager raus und am Startband angekommen sein muss. Das waren seit jeher zwei Minuten, jetzt ist die Zeit auf 90 Sekunden verkürzt worden. Ich find’s gut: Ob man da jetzt wirklich 90 Sekunden am Startband rumbuddeln muss, glaube ich nämlich nicht.

Die Abläufe sind doch immer gleich, und für die braucht man auch keine zwei Minuten Zeit. Man steht schließlich keine 10 Sekunden vor den Startplätzen und wählt seine Rille aus, in die man das Motorrad stellen möchte. Das dauert zwei bis drei Sekunden – mehr nicht.

Wie lange das Rumbuddeln dauert, kommt natürlich immer drauf an, wie die Startplätze aussehen. Aber in eineinhalb Minuten kann man fast schon seinen eigenen Bahndienst machen. Und dauernd Probestarts zu machen, die dann das Vorziehen zu den eigentlichen Startplätzen verzögern, ist auch nicht ratsam. Vor jedem Lauf würde ich’s auf keinen Fall machen, allein schon wegen der Beanspruchung von Kupplung und Reifen. Wenn man sich auf ein Motorrad konzentriert und das dann nicht passt, dann macht man vielleicht Probestarts – aber das ist eher die Ausnahme.

An Zeitmangel für uns Fahrer scheitert die neue 90-Sekundenregel sicher nicht. Und sie sorgt dafür, dass die Rennen flüssiger ablaufen.

Die letzte Neuerung betrifft den Finaleinzug. Dieses Jahr qualifizieren sich nach 20 Vorläufen die beiden Punktbesten direkt für den Endlauf. Die brauchen also keine Ehrenrunde in den Halbfinale drehen. Das schafft in den Semifinals Platz für Fahrer aus der Tiefe des Klassements der Hauptrunde. So kommen die ersten 10 in die Halbfinale, die nun „Last Chance Heat“ heißen, also im Bahnsportdeutsch „Hoffnungslauf“. Aus diesen Hoffnungsläufen qualifizieren sich nur die jeweiligen Sieger auch noch fürs Tagesfinale.

Das heißt, man kann jetzt mit weniger Laufpunkten aus den Vorläufen theoretisch ins Finale kommen. Bislang brauchte man realistischer Weise acht, 2024 oft sogar neun Zähler; um unter die Top 10 kommen, tun’s nun womöglich sechs oder sieben. Der Zehntplatzierte aus der Vorrunde kann theoretisch über die Ehrenrunde des Hoffnungslaufs noch den Grand Prix gewinnen.

Na und? Ist doch gut. Sorgt unter Umständen für mehr Abwechslung und für eine breitere Vielfalt an Siegern. Wenn man Bartosz Zmarzlik heißt und fast bei jedem Grand Prix ins Finale kommt, dann mag einen das stören. Aber für das breite vordere Mittelfeld erhöht das die Chancen. Sowohl auf den Finaleinzug als auch auf einen Platz unter den ersten 7 der WM-Endabrechnung, die 2026 sicher und aus eigener Kraft wieder für die Grand Prix-Serie qualifiziert sind.

Und genau das ist ja mein Ziel für dieses Jahr: möglichst viele Semifinals, also Last Chance Heats, und eine direkte Qualifikation für die WM 2026. Die neue Regel der Renndramaturgie kann also für mich nur gut sein – und für die Spannung des Abends auch.
 

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Matten Kröger war in Polen schon mit dabei.

Bei den Starts gibt's noch Luft nach oben.

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In den Vereinsfarben von Polonia Bromberg.

Die Leistungen in den ersten drei Zweitligarennen in Polen boten Grund zum Strahlen.

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In Polen kamen bei Kai Huckenbeck bislang nur BVE-Motoren zum Einsatz.

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