Der Einschlag
Kai Huckenbeck schildert, wie er den Monsterunfall von Landsberg erlebt hat und wie's danach weitergegangen ist.
Artur Urbaniak ist gleich mal verkehrt abgebogen. Mein Mechaniker rannte nach dem Unfall in Landsberg direkt vom Fahrerlagerausgang in den Sicherheitsbereich hinter der Bande – weil er dachte, dass ich über den Airfence hinweggeflogen sei und dort in der Auslaufzone vor der Tribüne liegen würde.
Wer will’s ihm verdenken? Auch ich musste nach dem Flug und der Landung, als ich die Augen wieder aufgemacht habe, erst mal gucken, wo ich überhaupt war – bevor ich anfangen konnte zu realisieren, was da eigentlich passiert ist.
Denn nach der Berührung, als der ganze Unfall so richtig losging, habe ich einfach nur noch die Augen zugemacht und gewartet, dass es vorbeigeht. Und nach dem Aufprall auf der Bahn habe ich auch zunächst nur Sterne gesehen. Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich mich wieder berappelt habe.
Von dem Unfallhergang selbst habe ich so gut wie nichts mitgekriegt. Dass da was schiefläuft, ist mir erst klargeworden, als ich aus dem Augenwinkel heraus sah, dass Martin Vaculík von innen in meine Richtung angeschossen kommt. Das war aber auch schon in derselben Zehntelsekunde, in der er mich dann auch berührt hat. Da war schon alles zu spät. Schließlich war ich ganz außen, völlig allein und mit Überschuss unterwegs – alle Anderen fuhren viel weiter innen, fast an der weißen Linie.
Selbst wenn ich ein bisschen früher gesehen hätte, dass Vaculík innen neben mir auf einer Rille die Kontrolle über seine Maschine verliert – ich hätte nichts mehr machen können. Bei dem Winkel, in dem er zu mir fuhr und rübergeschossen kam, und bei meinem Tempo hätte es nicht mal mehr geholfen, wenn ich mich freiwillig hingelegt und von der Maschine abzuspringen versucht hätte.
Nach dem Unfall war ich zunächst groggy – und habe auch gleich gemerkt, dass mir fast alles wehtut. Trotzdem versucht man zunächst weiterzufahren: Den ersten Lauf hatte ich schließlich gewonnen, ich fühlte mich wie schon beim zweiten Rennen in Manchester richtig gut, stark, mental auf der Höhe und voll siegfähig. Solch’ eine Ausgangslage lässt man nicht liegen, wenn man’s nicht unbedingt muss. Aber nach einem weiteren Rennen war eigentlich schon klar: Das hat keinen Sinn mehr, mir tat alles weh.
Ich kenne meinen Körper inzwischen ganz gut. Darum war mir auch im Fahrerlager gleich genauso klar: Da ist nichts gebrochen, ich brauche nur Ruhe und Physiotherapie, um mich zu erholen. Darum bin ich auch in Landsberg gar nicht mehr zur Vorsorgeuntersuchung in ein Krankenhaus gegangen, sondern direkt heim nach Werlte gefahren. Am Sonntagmorgen war ich zuhause, am selben Tag hab’ ich auch gemerkt: Das sind die üblichen Verletzungen, die man als Speedwayfahrer halt so hat – eine dicke, tiefschwarze Schwellung am linken Oberschenkel, Schmerzen in Schulter, Nacken, an den Armen und Beinen sowie im Hüftbereich und dem Rücken.
Ich bin montags und mittwochs zur Physiotherapie gegangen, in einem Nachbarort von uns im Emsland. Und Mittwoch ging’s dann auch schon wieder nach Polen, zum Ligarennen gegen Ostrowo. Auch da tat mir noch alles weh, und ich habe mich ziemlich steif im Sattel gefühlt. Weil wir schon früh sehr klar in Führung lagen und am Ende in 63:27 auch hoch gewonnen haben, konnte ich schon nach vier Runden aufhören, um mich noch ein bisschen zu schonen. Bis dahin hatte ich drei zweite und einen dritten Platz geholt, die zweiten immer jeweils hinter meinem Teamkollegen in 5:1-Doppelsiegen. Also netto 10 Punkte. Das ist für den Zustand, in dem ich da angetreten bin, noch ganz okay.
Vor allem, weil ich gemerkt habe: Mental hängt mir der Unfall überhaupt nicht mehr nach. Ich kriege so etwas zwar immer ganz gut aus dem Kopf heraus, das weiß ich noch von anderen, teils auch krassen Unfällen. Aber das noch mal neu bestätigt zu kommen, kann auch nicht schaden.
Meine Unfallmaschine von Landsberg war dieselbe, mit der ich den zweiten Grand Prix in Manchester gefahren hatte. Die gefiel mir seither am besten. Zum Glück war der Schaden für die Wucht des Unfalls vergleichsweise gering: Vorderrad und Gabel verbogen, ein bisschen was an der Front kaputt. Die Motorräder sind bei meinem Mechaniker in Ostrowo geblieben, inzwischen ist auch die Unfallmaschine wieder vollständig repariert und einsatzbereit für den nächsten Grand Prix in Målilla.
Ich bin vom Ligarennen in Bromberg nach Danzig gefahren und von dort nach Deutschland geflogen. Am Dienstag steht in Schweden dann eine Auswärtsbegegnung in Västervik an, danach bleibe ich für ein paar Tage bei meiner dortigen Quasi-Gastfamilie Pia und Stellan Lundqvist in Hallstavik. Bei diesem ehemaligen Teammanager von Rospiggarna wohne ich immer, wenn ich für und in Hallstavik fahre. Die Ruhe in Schweden wird sicher guttun, mich weiter zu erholen, denn die Schmerzen dürfen bis zum Grand Prix in Målilla ruhig noch ein bisschen weniger werden.
Ansonsten sehe ich aber keinen Grund, warum es da nicht so weitergehen sollte wie bei den letzten beiden Großen Preisen bis zu dem Sturz.


