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Cooperman on Double Duty

Paul Cooper startet am Samstag in Werlte, am Sonntag in Schwarme – und ist überhaupt ein Tausendsassa des Bahnsports.


Das Cuvée klingt nicht verkehrt. Kelvin Tatum und Joe Screen seien seine Vorbilder in jungen Jahren gewesen, führt Paul Cooper an – einer der Favoriten aufs Weiterkommen vom zweiten EM-Semifinale der Grasbahn in Werlte am Sonnabend. „Als junger Fahrer wollte ich sein wie eine Mischung aus beiden: ‚Screeny‘ hat auch bei Bier und Frauen alles mitgenommen, immer den Spaß an der Sache gelebt – und Kelvin war unheimlich professionell, aber immer auch sehr ernsthaft. Bei dem hat mir der ‚fun part‘ ein bisschen gefehlt.“


Inzwischen ist Cooper 43, fährt seit mehr als 30 Jahren Grasbahn und seit drei Jahren auch Eisspeedway, fallweise Langbahn dazu, auch auf der Speedwaybahn hat man ihn schon gesehen. Man kennt ihn als „Cooperman“ oder „Super-Cooper“, den er hat sein Ziel erreicht: Erfolge mit einer Lockerheit und einer Fannahbarkeit, einer hohen Sympathie und dennoch der nötigen Ernsthaftigkeit zu vereinen. Cooper ist einer der Superhelden der Szene, die am Samstag in Werlte an den Start geht.


Er bezeichnet sich als einen „typischen British Grasstracker“, ist als Kind mit seinem Vater zum legendären Ace of Aces gefahren, hat später auch das nicht minder berühmte Wimborne Whoppa gewonnen und sich vor drei Wochen beim British Masters erneut zum Britischen Grasbahnmeister in der 350-Kubikklasse gekürt. „Britische Grasstracker sind raue Bahnen mit Rillen und Löchern gewöhnt. Auch Werlte kann schon mal rau werden. Deswegen fühlen wir Briten uns da meistens sehr wohl.“


Zumal das Gras im Emsland genau wie auf der Britischen Insel auf Mutterboden angesät ist, nicht auf einer lehmhaltigen Tragschicht. Die Entwicklung der Bahnen in Eng- und Emsland ähneln einander über die Heats hinweg ziemlich – nur dass die Böden in England vom vielen Regen meist deutlich durchtränkter sind, der Mutterboden unter dem Gras entsprechend schwerer und klumpiger ist als in Werlte. Gerade jetzt, wo es auch in Nordwestdeutschland in den vergangenen Wochen sommerlich trocken war, mit gelegentlichen Schauern in den Nächten – optimale Verhältnisse also für die Bahn in der Heimatstadt von Speedway-Grand Prix-Star Kai Huckenbeck.


In Werlte fühlen wir Briten uns meist sehr wohl. – Paul Cooper

Am Tag nach Werlte wird der Yorkshireman im benachbarten Schwarme an den Start gehen. Dort hätte eigentlich die Deutsche Langbahnmeisterschaft steigen sollen. Doch weil sich zu wenig Fahrer finden, wird das Feld mit drei Ausländern internationalisiert. Die fahren nicht um einen IDM-Titel, sondern in einer brutto Sonderwertung; netto wird die DM als separate Klassierung ausgelobt. Cooper freut sich schon auf Schwarme, sagt, die Bahn in der Nähe von Bremen hätte ihm schon immer sehr gut gelegen.


Im Motorsport-Fachenglisch heißt solch ein Doppelprogramm auch Double Duty – die Doppelschicht. Der Begriff kommt aus dem US-Racing, wo es einige Autorennfahrer gibt, die am selben Tag das Indy 500 der IndyCar-Serie und abends ein NASCAR-Tourenwagenrennen auf dem Superspeedway im knapp 1.000 Kilometer entfernten Talladega bestreiten. Zuletzt Kyle Larson. Um solche Double Duties wird in den Staaten regelmäßig ein Riesenmedienrummel gemacht. Dabei sind sie im Bahnsport ganz normal. Nicht nur Cooper ist ein solcher Nomade des Motorradsports, der samstags in Werlte und sonntags in Schwarme startet – sondern beispielsweise auch Stephan Katt.


Cooper ist ein Tausendsassa des Bahnsports. Als Grasbahnexperte mit sonnigem Gemüt und entschlossener Gashand ist er in Deutschland Dauergast, hat auch den Vatertagslassiker in Lüdinghausen schon mehrfach gewonnen, fühlt sich aber als Engländer auf kürzeren Bahnen mit weniger als einem Kilometer Länge eher zuhause. Und er hat sich auch aufs Eis gewagt: Zwei Mal schon war er in Heerenveen im Roloef-Thijs-Pokal am Start, unter der Flagge von Inn-Isar-Racing – den bayerischen Spezialisten zur Förderung des Eisspeedway, deren Einfluss bis nach Schweden und zum Cooperman reicht.

Paul Cooper ist ein Grasbahnspezialist mit äußerst sonnigem Gemüt. Foto: FIM
Paul Cooper ist ein Grasbahnspezialist mit äußerst sonnigem Gemüt. Foto: FIM

England ist ein Eisspeedway-Exotenland. Aber von der rennverrückten Insel tauchen immer wieder Charakterköpfe bei den Eisrennen auf. Graham Halsall, im Hauptberuf selbständiger Baggerfahrer, hat es kurz nach der Wende sogar bis in die WM geschafft – inzwischen aber bei einem Motorradunfall im öffentlichen Straßenverkehr ein Bein verloren. Tim Dixon ist ein ehemaliger Seitenwagenbeifahrer von der halsbrecherischen Isle of Man, der nach seiner Karriere bei den TT-Rennen auf der Insel in der Irischen See den Eisspeedwaysport für sich entdeckt hat: als Freund von Simon Reitsma, dem Vater des niederländischen Shootingstar Sebastian Reitsma.


Dixon ist ein Eisspeedwaytrainingspartner von Cooper, seit der vor drei Jahren erstmals mitgenommen wurde zu einem Trainingslager nach Schweden, in Bollnäs. „Ich habe gedacht, mein Fahrstil von der Grasbahn müsste auch genau zum Eisspeedway passen. Denn ich bin ein ‚leg-trailer‘.“ Also ein Fahrer, der das kurveninnere Bein hinterherschleift und nachzieht wie etwa auch Anders Thomsen auf seiner Speedwaymaschine.

In Heerenveen bestritt der Cooperman zwei Mal den Roloef-Thijs-Pokal am Vorabend des Eisspeedway-WM-Finals. Foto: Norbert Ockenga
In Heerenveen bestritt der Cooperman zwei Mal den Roloef-Thijs-Pokal am Vorabend des Eisspeedway-WM-Finals. Foto: Norbert Ockenga

Doch die ersten Proberunden auf einer Eismaschine öffneten Cooper schnell die Augen: „Ich dachte, meine Fahrweise passt optimal – tatsächlich passte sie aber überhaupt nicht. Ich hatte ständig Schiss, dass sich mein Bein zwischen Eis und Hinterrad einklemmt. Also baute mir ein niederländischer Mechaniker eine Fußraste weit vorn an – wie man heutzutage halt modern Eisspeedway fährt, mit dem Bein weit nach vorn angewinkelt.“


Der erste Schnupperkurs von Cooper auf Eis geht auf sein gutes Freundschaftsnetzwerk in Deutschland zurück: „Der Vater von Finn Loheider hatte dem ein Eismotorrad gekauft und wusste, dass ich das auch zu gern mal probieren würde. Also hat er mit mitgenommen nach Schweden. Aber dabei kam ich ein bisschen wenig zum Fahren, weil Finn länger brauchte, sich auf die Eismaschine einzuschießen.“


Fortan trainiert er mit Dixon und schließt bei einer Wintertour in Schweden Freundschaft mit Stefan Svensson – dem Exweltmeister mit dem großen Herzen, der niemandem, der es mit dem Sport und seinem Interesse daran ernst meint, eine Bitte abschlagen kann. Svensson leiht ihm sogar die Maschine seines Sohnes Niclas, als der vor zwei Jahren verletzungsbedingt einen Winter aussetzen muss. Damit nimmt Cooper erstmals beim Roloef-Thijs-Pokal statt – und ist völlig überwältigt von der ganz besonderen Atmosphäre in den Eisspeedwayfahrerlagern: „Jeder dort ist unglaublich freundlich und hilfsbereit. Ich kannte überhaupt niemanden. Aber als ich im Thijs-Pokal gestürzt bin, sind sofort zwei Fahrer gekommen, um mir ihre Maschine anzubieten. Und selbst Martin Haarahiltunen hat mich behandelt wie einen alten Kumpel.“ Nun ist der Weltmeister aus Ö’vik zwar auch einer mit einem besonders großen Herzen und einer entwaffnenden Ehrlichkeit. Doch die Tendenz, die Cooper beobachtet hat, stimmt schon: „Die Stimmung, die Freundlichkeit und Offenheit ist noch mal eine Spur größer als bei Grasbahnrennen – und da geht es schon kameradschaftlich zu. Auch im Grasbahnfahrerlager habe ich gute Freunde: Hülse oder den Kattmann etwa. Aber im Eisspeedway ist alles noch mal netter und hilfsbereiter – was wahrscheinlich daran, liegt, dass auch alle Aktiven wollen, dass neue Leute in den Sport kommen und ihm auch erhalten bleiben. Denn Eisspeedway ist ja doch eine ziemlich kleine Gemeinschaft.“

Super Cooper gehört zum Kader von Inn-Isar-Racing. Foto: FIM
Super Cooper gehört zum Kader von Inn-Isar-Racing. Foto: FIM

Für Werlte am Sonnabend hat Cooper nur lobende Worte und Vorfreude über, verweist auf den einfühlsamen, aus Fahrersicht mitdenkenden und dennoch konsequenten Klubchef Josef Hukelmann sowie auf den stets tadellos arbeitenden Bahndienst – und nimmt sich vor: „Samstag geht es nicht ums Gewinnen, sondern nur um die Qualifikation. Die ersten 9 kommen weiter. Das muss das erste Ziel sein. Also muss man nicht jeden Heat gewinnen, sondern auf Punkte fahren.“ Dann verschiebt sein typisches Lachen den Dreitagebart zu kleinen Inselchen: „Aber da denk’ mal dran, wenn du dir gerade den Helm aufgesetzt hast.“

 
 
 

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