top of page

Das große Zittern

Der letzte Durchgang der Bundesliga in Güstrow war an Dramatik kaum zu überbieten.


Valentin Grobauer fällt ein Stein vom Herzen. „Am Ende“, strahlt der Mannschaftskapitän des MC Güstrow, „war die Freude riesengroß.“ Denn die Entscheidung in der Bundesliga fällt am Donnerstagabend nicht nur knapper aus als erwartet – sondern wird auch noch zu einer Nervenschlacht bei schon winterlich anmutenden Temperaturen.


Der letzte Showdown zwischen Tabellenführer Güstrow und dem Verfolger aus Wittstock beginnt mit einem personellen Wettrüsten: Wittstock nominiert in Flip Seniuk einen Ersatzfahrer – und setzt Güstrow damit unter Zugzwang. „Wir waren mit einer guten Mannschaft inklusive Reservefahrer angereist; Güstrow hat natürlich nachgezogen und hat in Tyler Haupt auch einen Reservefahrer gehabt“, erläutert Wittstocks Klubchef Frank Mauer. „Aber der darf nur dann eingesetzt werden, wenn ein Fahrer durch Verletzung ausscheidet und der Arzt bestätigt, dass er nicht weiterfahren kann. Wir wollten aber kein Risiko eingehen, deswegen sind wir so angereist.“


Wir waren vor allem außen sehr schnell. Das hat Güstrow beobachtet und die Bahn daraufhin anders präpariert. – Kevin Wölbert

Der Rennabend geht dann mit einem Knallstart für die Gäste von der Dosse los: Kevin Wölbert und Marko Lewishin führen; ihr scheinbares 5:1 wär’ der Startschuss für die nötige gigantische Aufholjagd, um bei den Laufpunkten an den Torros aus Güstrow noch vorbeizukommen.


Aber der Ukrainer wird von Marcel Kowolik aus dem Lager der Güstrower attackiert – und der Pole kommt plötzlich zu Fall. „Der Schiedsrichter hat eine Berührung mit Marko Lewischin gesehen“, hadert Mauer, „obwohl wir Bilder hatten, die gezeigt haben: Es gab keine Berührung, sondern Kowolik hat eine Rille erwischt, konnt's nicht halten und ist abgegangen.“


Es war ein Finale auf Augenhöhe. – Valentin Grobauer

So aber disqualifiziert der Schiedsrichter den Letten. Wölbert gewinnt zwar auch den Wiederholungslauf. Doch die Güstrower kommen kampflos zu einem Unentschieden zu Beginn. Im nächsten Rennen gewinnt Jesper Knudsen für die Wölfe, doch sein Bruder Jonas wird Letzter – wieder Unentschieden. Auch wenn Grobauer über seinen dritten Rang in diesem Heat grantig war. „Der Start war nicht ideal, deswegen gab’s auch nur 1+1 Punkte, also mein dritter Platz hinter meinem Teamkollegen. Ich war nicht langsam, aber der Start war zu schlecht“, schildert der Bayer. „Ich habe mich danach mehr auf die Starts konzentriert und geguckt, dass ich als Erster aus dem Fahrerlager zur Startbox komme, damit ich da die Zeit nutzen kann, um meine Startposition wirklich optimal vorzubereiten. Das war für mich auch der Schlüssel zum Erfolg.“


Der MC Güstrow bejubelt nach einer langen und kalten Nacht den neuerlichen Meistertitel. Foto: Bernd Quaschning
Der MC Güstrow bejubelt nach einer langen und kalten Nacht den neuerlichen Meistertitel. Foto: Bernd Quaschning

Dennoch übernimmt Wittstock das Kommando. Angeführt von Wölbert und Lewischin, ziehen die Gäste zwischenzeitlich bis auf sechs Punkte davon. Insgesamt benötigen sie einen Auswärtssieg mit 14 Punkten Vorsprung, um den Güstrowern den Titel noch zu entreißen. Mitten in die Flucht nach vorn platzen zwei ansatz- und grundlose Rennabbrüche, die von der Orangebox, welche die Startautomatik und die Ampeln regelt, in Eigenregie angeordnet werden. „Es gab einen Defekt in einem Notschalter, der am Vorabend eines Trainings nicht zu erkennen oder abzusehen war“, erklärt Güstrows Teammanager Ralf Peters – der sich von der spinnenden Elektronik benachteiligt sieht: „Wir lagen am Ende dieser ungewollten Abbrüche mit 4:2 vorne und konnten die Wiederholungsläufe nicht so erfolgreich durchbringen.“


Abbruch, Fehlersuche und Wiederholungsläufe sorgen dafür, dass der Krimi sich letztlich über zwei Stunden hinzieht – und auch die Nerven der vielen jungen Fahrer bis zum Zerreißen spannt. Grobauer räumt ein: „Die Taktik war, von Anfang an so viele Punkte wie irgendwie möglich zu sammeln – und zu gewinnen. Wir liefen am Anfang vom zweiten Durchgang auf vier Punkten Rückstand hinterher. Dann hieß zu gucken, dass der Abstand nicht noch größer wird.“


Kevin Wölbert und Marko Lewischin sorgen dafür, dass Wittstock im Laufe eines langen Abends kurz vor einer dramatischen Wende im Titelrennen steht. Am Ende meistert dennoch Güstrow. Foto: Bernd Quaschning
Kevin Wölbert und Marko Lewischin sorgen dafür, dass Wittstock im Laufe eines langen Abends kurz vor einer dramatischen Wende im Titelrennen steht. Am Ende meistert dennoch Güstrow. Foto: Bernd Quaschning

Doch Wittstock bleibt bis kurz vorm Finale die tonangebende Mannschaft. „Alle Paare haben untereinander sehr gut harmoniert und funktioniert“, lobt Wölbert. Doch als die Gäste sich immer weiter absetzen und die Sensation greifbarer und greifbarer zu werden scheint, nimmt das Rennen eine dramatische Wendung. „Wir waren insgesamt sehr schnell, vor allem auf der Außenbahn. Das hat natürlich Güstrow auch beobachtet und im späteren Rennverlauf die Bahn entsprechend präpariert, Material nach innen gezogen und wenig Wasser gefahren. Somit wurde es außen schwerer, und am Strich war man schneller“, rekapituliert Wölbert. „Das macht die Rennen für die Zuschauer unattraktiver, aber sicherte Güstrow am Ende die Meisterschaft, weil wir unseren Punkteausbau nicht noch weiter vorantreiben konnten.“


In der Tat: Der Vorsprung wächst im Laufe des Abends nicht mehr so stark an. Obwohl Güstrow in Kowolik und Marcus Birkemose zwei Schwachstellen hat, Wittstock in Jonas Knudsen nur eine. „Wir haben das Zepter in der Hand gehabt. Vor den Finalläufen haben wir mit 10 Punkten geführt“, rekapituliert Mauer. „Wir hätten 14 gebraucht und haben gedacht: ‚Mit Lewischin und Wölbert machen wir das im letzten Heat das entscheidende 5:1‘, denn das waren die stärksten Fahrer des ganzen Abends. Leider ist daraus nichts geworden. Güstrow hat das 5:1 gemacht und damit den Meistertitel geholt.“


William Drejer und Grobauer können das letzte Anrennen von Wölbert/Lewischin abwehren und den entscheiden letzten Lauf mit 5:1 gewinnen. „Trotz unterschiedlicher Leistungen haben wir als Mannschaft funktioniert und versucht, im Laufe des Rennens besser zu werden“, wertet ihr Teammanager Ralf Peters. „Und im letzten Lauf haben wir das wichtige 5:1 bekommen.“


Mauer urteilt: „Wir haben die Zähne gezeigt. Wir haben’s in der Hand gehabt. Viele haben nicht gedacht, dass wir das aufholen.“ Und insgesamt sei es ein Speedwayabend voller Spannung und Sport vom Allerfeinsten gewesen. Sein deutscher Star Wölbert bilanziert noch einen Schritt weiter: „Leider wurde das Rennen gegen Güstrow zuhause verloren – und diesen Abstand konnten wir nicht ganz aufholen.“ Auch Grobauer spannt bei seiner Saisonbilanz einen weiten Bogen: „Es war ein Finale auf Augenhöhe. Gottseidank konnten wir über die Saison hinweg schon ein kleines Polster erarbeiten.“



 
 
 

Kommentare


bottom of page