Can I Play with Sadness
- Norbert Ockenga
- vor 1 Tag
- 3 Min. Lesezeit
Vorm Auftakt der Speedway-Einzel-DM schürt der Veranstalter falsche Hoffnungen bei den Fans – und spielt dabei mit der Gefühlswelt von Erik Riss.
Der Schimmer der Hoffnung ist schnell verglüht. Am Montag läuft eine Pressemitteilung zu den ersten beiden Läufen der Deutschen Speedwayeinzelmeisterschaft in Güstrow und Stralsund auf. Darin steht zu lesen: „Für Titelverteidiger Erik Riss wird es nicht einfach werden, seinen Erfolg aus dem Vorjahr in Pocking zu wiederholen.“
Man kratzt sich kurz am Kinn und kommt zu dem Schluss: Für Riss wird es allein schon deshalb mit der Titelverteidigung nicht einfach werden, weil er gar nicht an den Start gehen kann.
Riss wird sich erst am Mittwoch offiziell dazu äußern. Doch wer die aktuelle Nachrichtenlage kennt, kann sich den Inhalt seiner Einlassung an den Fingern jener Hand abzählen, die in einem Sägewerk in einen Betriebsunfall geraten ist. Riss hatte immer wieder betont, erst dann in den Wettbewerb zurückzukehren, wenn er vorher bei einem Probetraining sichergestellt hätte, dass sein räumliches Sehvermögen dazu reiche und dass ihn seine Krankheit nicht hindere.
Solch’ ein Test hat offenbar noch nicht stattgefunden. Denn Riss ist nicht irgendwer; ausgeschlossen, dass es allen nationalen und internationalen Medien verborgen geblieben wäre, wenn Riss wieder gefahren wäre. Also ist klar: Einen Start bei der Deutschen Meisterschaft kann es nicht geben.
Diese Zusammenhänge müssen auch den Veranstaltern der DM bekannt sein, von denen nun die Pressemitteilung stammt, die bei Fans und Medienschaffenden die Hoffnung schürt, Riss werde fahren. Damit werden nicht nur die Rennbesucher und Journalisten genasführt – sondern auch Riss.
Man kann ohne Umschweife und Übertragungen sagen, dass der 30-Jährige die tragischste Figur der Saison ist, auch der ärmste Hund passt. Anhand seiner Frühform bis zum erneuten Ausbruch der Krankheit wäre er klarer Favorit auf die Deutschen Meistertitel auf der Langbahn und in der reformierten Speedwayserie gewesen, wie auch in der Langbahn-WM. Stattdessen quält er sich seit Monaten mit Symptomen, Diagnosen und Behandlungen herum.

Wer sich mit dem Allgäuer unterhalten und befasst hat, der weiß: Gerade die Speedway-DM liegt ihm so sehr am Herzen, dass ihm eine Absage richtige Pein bereiten muss. Seine Traurigkeit darüber kann man selbst aus der Ferne mit Händen greifen. Dennoch nutzen die DM-Veranstalter ihn wider besseren Wissens als Zugpferd für eine Pressemitteilung.
Dabei hätte man die Reform der Einzel-DM mit einer modernen Kommunikatonsstrategie koppeln und stärken können: indem man sich einzelne Themen im Storytelling-Stil vornimmt und den Medien interessante Geschichten liefert, die sie zum Veröffentlichen, aber auch zum Kommen reizen. Etwa die Wiedergutmachung von Kai Huckenbeck, der Deutschlandauftritt des kecken innatonalen Ligastars Norick Blödorn, den Angriff der jungen Wilden aufs Establishment und natürlich die Fast Lady Hannah Grunwald. All’ das hätte man bei einem durchdachten Kommunikationskonzept inhaltlich aufbereiten und nacheinander in einen Episoden abfeuern können. Die Resonanz wäre ungleich höher gewesen, die Öffentlichkeitsarbeit professionell.
Das Thema Riss hätte man bis auf einen Satz – dass er Titelverteidiger ist – solange ausgespart, bis der seine Entscheidung öffentlich macht. Dann hätte das eine eigene Story getragen. Und man stelle sich vor, wenn Riss nach Wunderheilung doch plötzlich hätte fahren können – was wäre das für eine eigene Meldung mit immenser Tragweite und Resonanz geworden.
Stattdessen hat man nun Riss vorgeschoben, muss seine eigenen Worte zurückholen, Fans enttäuscht und Journalisten irritiert zurücklassen.
Comments