Communication Breakdown
- Norbert Ockenga
- vor 8 Stunden
- 4 Min. Lesezeit
Wie eine professionelle Kommunikation aus dem Liga Nord-Boykott des MC Güstrow eine konstruktive Angelegenheit statt eines Skandals hätte machen können, der dem ganzen Speedwaysport schweren Schaden zufügt.
Kaum waren sechs Stunden seit der Veröffentlichung des ersten Artikels zum Skandal von Meißen hier auf bahndienst.com vergangen, versendet der MC Güstrow auch schon eine Presseinformation mit seiner Sicht der Dinge.
Neues stand nicht drin, darum lohnt es nicht, hier groß daraus zu zitieren. Entscheidender ist, was rund um die Causa Güstrow alles nicht passiert ist – und wie sich daraus ein vermeidbarer Eklat entsponnen hat, der dem Ansehen des Speedwaysports in seiner Gesamtheit geschadet hat.
Wie schon öfter gesagt: Der Stein des Anstoßes, eine Bewertung der finanziellen Forderungen des MC Meißen an das Team von Patrick Hyjek, hat mit all’ dem schon nichts mehr zu tun. Es geht nur noch darum, wie man mit einer sinnvollen und professionellen Kommunikation auch mit der Zuspitzung des Konflikts, wie der MC Güstrow ihn betrieben hat, so hätte umgehen können, dass alle Seiten ihren Standpunkt klargemacht hätten – und gleichzeitig keine das Gesicht verloren hätte.
Es sei in diesem Zusammenhang ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert. Jedes professionelle Motorsportteam, sei es in der Formel 1, bei den 24 Stunden von Le Mans oder in der MotoGP, verfügt über einen sogenannten Notfallkommunikationsplan. In dem ist genau festgeschrieben, welche Art der Pressemitteilung verschickt und Kommunikation in Marsch gesetzt wird, wenn verschiedene unglückselige Szenarien eintreten.
Für den tragischsten Fall der Fälle, einem tödlichen Unfall, sind in diesem Notfallkontingent sogar schon vorformulierte Pressemitteilungen gespeichert, in denen nur noch einzelne Namen, Sätze und Absätze angepasst werden müssen. Damit man nicht in der Hektik und Trauer, die nach so einem Unfall einsetzen, übermannt wird, sondern immer noch professionell agieren kann.

In so einem Notfallplan ist auch vorgesehen, was passieren muss, bis die Pressemitteilung verschickt wird: erst Angehörige anrufen, damit die nicht aus dem Internet vom Tode erfahren, dann aber schnell reagieren, bevor im Web eine Woge der Spekulation über den Fakten zusammenschwappt.
Es muss ja nicht immer das Schlimmste eintreten. Aber man kann solch’ eine Arbeitsweise auf den Skandal von Meißen übersetzen und runterbrechen. Denn eine durchdachte Kommunikatonsstrategie hätte im Falle der Causa Güstrow auch so Manches verhindert.
Die Verantwortlichen des Teams von Güstrow wussten lange vor dem Rennen, dass Patrick Hyjek nicht würde fahren können. Wenn sie trotzdem auf Konfrontation gehen wollen, hätte eine professionelle Umsetzung einer ganz einfachen Richtschnur gehorchen können – und so die ganze Schärfe aus der Debatte nehmen können:
Man weiß, dass es mit dem Start nichts wird, und plant den Boykott. Deswegen bereitet man im Vorfeld eine Presseerklärung vor, in der man seine Beweggründe für das Manöver erklärt. Die kann man mit genau jenem Schärfegrad würzen, den man für richtig hält: Angriff auf Meißen, Herauskehren der eigenen hehren Werte, salbungsvolle Diplomatie – man bereitet die Formulierungen vorab so vor, wie man sich wahrgenommen sehen möchte. Dann unternimmt man einen letzten Versuch, das Team doch noch ins Stadion zu kriegen. Wenn der scheitert, verschickt man sofort auf Knopfdruck das entsprechende Communiqué. Allzu viele Adressaten gibt’s ja nicht: die einzigen bundesweiten Leitmedien in Sachen Bahnsport, also „Bahnsport aktuell“, „speedweek.com", den Podcast „Startband“ und „bahndienst.com", dazu einen Verteiler aus regionalen und lokalen Tageszeitungen und Websites, den jeder Verein pflegen sollte.
Dieselbe Mitteilung kann man dann auch auf die Sozialen Medien des eigenen Klubs hochladen. Wobei die in der Außenwirkung eine deutlich geringere Relevanz haben als überregionale Leit- und regionale Lokalmedien.
Wenn man es ganz profimäßig macht, spricht man sich vorher ab: Man wusste ja vom MC Meißen, was passieren würde. Also sagt man der anderen Seite: „Wir versuchen’s trotzdem, um ein Zeichen zu setzen, und werden dann dasunddas kommunizieren.“ So kann auch der Widerpart mit einer zeitnahen Presse- und Internetmitteilung reagieren, ohne das Gesicht zu verlieren.
Güstrow ist aber einfach nicht angetreten – und nach dem Boykott irgendwie verschwunden. Bis auf eine kryptische Mitteilung auf einem Social Media-Kanal des Teammanagers. Erst als Anfragen von bahndienst.com bei verschiedenen Stellen des Vereins eingingen, wurde dort eine Pressemitteilung erstellt. Das dauerte drei Tage: freitags gab’s die finale Entscheidung, nicht anzutreten, montags folgte eine Pressemitteilung. Die genau auszuwerten, schmunzelt jedem Journalisten ein Lächeln ins Gesicht. Allein das Wort „Nichtteilnahme“ in der Überschrift zeugt von einer Verharmlosung. In den folgenden 22 Zeilen bemüht der Verein viel Pathos, bis hin zum „Speedway, der die Menschen verbindet“. Und man lässt über das Stadionverbot von Hyjek wissen: „Da für uns die sportliche Gleichbehandlung und der faire Umgang mit allen Aktiven unverzichtbare Grundlagen darstellen, konnten und wollten wir diese Maßnahme nicht akzeptieren, ohne unsere Haltung klar zu zeigen. Wir stehen als Team zusammen – in guten wie in schwierigen Zeiten.“
Das klingt gut, hehr und edel. Doch in keinem Satz wird die Kernfrage der Causa Güstrow beantwortet: Warum meinte man, mit einem Fahrer antreten zu können, der seit langer Zeit für die Veranstaltung gesperrt sein musste?
Stattdessen schreibt man: „Seit Jahrzehnten steht der MC Güstrow für Werte wie Fairness, Respekt und Zusammenhalt.“ Auch das ist löblich, hat aber mit dem Eklat von Meißen nichts zu tun.
Erneut ein bisschen Nähkästchen vielleicht? Es gibt klare Richtlinien, was in eine Presseinformation gehört und wie man sie aufbaut: wie eine Nachricht, mit den berühmten „Sechs W“ aus der Journalistenschule. Danach kann man weitere Erklärungen nachschieben. Spindoctoring, also das Umdeuten den Fakten durch Pathos, erkennt jeder Journalist sofort.
Man hätte den Boykott des MC Güstrow nutzen können, um zum Wohl des deutschen Speedway eine Brücke im Fall Meißen ./. Hyjek schlagen zu können, wenn man mit einer professionellen Kommunikationsstrategie agiert hätte. Stattdessen hat man das Kind mit dem Bade ausgeschüttet – direkt in den nächstgelegenen Brunnen hinein. Und so dem Ansehen des Speedway schweren Schaden zugefügt.
Freilich ist der Communication Breakdown in der Causa Güstrow nicht der einzige Fauxpas dieser Art in jüngster Zeit. In der Vorschau auf den ersten Durchgang der Deutschen Speedwayeinzelmeisterschaft ging kurz darauf genau so weiter. Doch das ist ein Fall für die nächste Episode der Serie aus dem neuen Kuriositätenkabinett des deutschen Speedwaysports.
Endlich sagt mal jemand die Wahrheit. Güstrow und besonders der an Arroganz nicht zu übertreffende Ralf Peters denken sie können sich alles erlauben.