Crunch Time für Premiership
- Norbert Ockenga
- vor 1 Tag
- 4 Min. Lesezeit
In England steht die Entscheidung über die Ligazukunft kurz bevor.
Eine oder zwei? Das ist die Kardinalfrage, an der sich in Speedway-Großbritannien gerade die Geister scheiden. Wird es auch 2026 in der bisherigen Form weitergehen – mit einer ersten Liga, der Premiership, und dem Unterbau, der Championship? Oder verschmelzen die beiden Divisionen zu einer einzigen großen Liga?
Die Ausgangslage ist vielschichtig. Die Erste Liga muss zwei Abgänge hinnehmen: Birmingham hat im Herbst endgültig zugesperrt. Und Oxford, wo der Deutsche Peter Schroeck bislang Mannschaften in die Premiership, die Championship und die National League zur Nachwuchsförderung eingesetzt hat, wird die Spires aus der Premiership abziehen, sich nur noch auf die Zweite Liga konzentrieren.
Als zusätzliche Unsicherheit schwebt über der Premiership der geplante, aber immer noch nicht über die Bühne gegangene Verkauf der Sheffield Tigers.
Belle Vue, Ipswich, Leicester und King’s Lynn sind daher die einzigen festen Größen für die Premiership kurz vor der Jahreshauptversammlung, der AGM, aller Ligavereinschefs, die in Rugby stattfindet. Ipswich und Manchester sind dabei die Vereine, die am lautesten fürs Beibehalten des Status Quo mit zwei Ligen kämpfen.
In der Championship, also der Zweiten Liga, ist die Lage vielfältiger. Es gibt neun Vereine. Alle stehen gesund da. Die Titelentscheidung zwischen Poole und Glasgow war an Dramatik nicht zu überbieten. Poole und Glasgow werden als mögliche Neulinge für den Gang nach oben in die Erste Liga gehandelt, zumal die Poole Pirates einst einer der erfolgreichsten und prägendsten Vereine des Oberhauses war – unter der Regie von Promoter Matt Ford, dessen Sohn die Mannschaft nun allerdings in der Zweiten Liga halten möchte. Auch Glasgow hat kein Interesse an einem Aufstieg, sondern bereitet hinter den Kulissen einen Grand Prix von Schottland im eigenen Stadion vor.
Die Dürre in der Premiership veranlasst viele zum Pro zu einer gemeinsamen Liga. Doch sowohl aus der Ersten als auch aus der Zweiten Liga kommen starke Argumente dagegen: vor allem wegen der reinen Anzahl der zur Verfügung stehenden Fahrer. Viele von denen starten auf der Insel sowohl in der Premier- als auch in der Championship. Erik Riss etwa fuhr, solange er gesund war, für Oxford in der Ersten und Redcar in der Zweiten Liga.

Solche Doppelstarts entfielen bei nur einer gemeinsamen Spielklasse. Deswegen fürchten die Veranstalter, dass die Fahrer von ihren dann exklusiven Arbeitgebern höhere Gagen einfordern müssten – welche die aber nicht zahlen könnten. Die Zuschauerzahlen sind gleichbleibend zu niedrig – und der Fernsehdeal mit TNT, dem zur Discovery-Familie gehörenden Sender, läuft aus.
In England funktioniert das TV-Geschäft anders als in Deutschland. Wollte man hier die Bundesliga bei einem Sportsender ins Programm hieven, müsste man dafür einen Sponsor als Mitgift mitbringen. In Großbritannien zahlt der Sender für die Fernsehrechte, sogar beim Speedway. Der Liga brechen so wertvolle Einnahmen weg, die unter den Klubs aufgeteilt werden.
Höhere Fahrerkosten können sich vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Lage nicht Mal die Platzhirschen aus Manchester und Ipswich leisten.
Die Zweitligaklubs, die bei einer Wiedervereinigung zu einer Liga mitziehen müssten, sowieso nicht. Die votieren zudem für ein Schema aus je zwei Heim- und Auswärtsrennen in der Vorrunde vor den Playoffs, am besten sogar je drei, um mehr Einnahmen aus dem Kartenverkauf zu generieren. Und die Zweitligisten möchten nicht von ihren traditionellen „Race Nights“ abweichen. Traditionell hat jeder Verein in Großbritannien einen Abend, an dem er seine Heimrennen austrägt. Das hat man in der Ersten Liga abgeschafft, zugunsten von zwei Abenden, an denen alle Vereine parallel antreten: montags und donnerstags. In der Zweiten Liga dagegen hat jeder Klub noch seinen eigenen Abend, an denen er die Fans auf die Heimbahn locken möchte. Die Uniformität der Premiership lehnt man glattweg ab.
Der Karren steckt ziemlich tief im Dreck. Viele britische Klubchefs befürchten schon einen Exodus ihrer Liga. Nachdem in den vergangenen Jahren wieder vermehrt Grand Prix- und internationale Stars in die Erste Liga zurückgekehrt waren, schwant den Promotern: Wenn sie das Geld nicht mehr aufbringen können, dann verabschieden sich diese großen Namen wieder – und das setzt eine Negativspirale auch bei den Zuschauern in Gang.
Die Bedenken sind berechtigt: Die dänische Superliga hat sich still und heimlich zu einer Alternative gemausert. Bislang eher ein Geheimtipp und vor allem ein Tummelplatz für Dänen, locken die Vereine der Ersten Dänischen Division in diesem Herbst plötzlich erstaunlich viele Internationale an. Eine Fahrerwanderung von England nach Dänemark – als dann dritten Tummelplatz neben Polen und Schweden – hat gerade begonnen; je nachdem, wie die AGM in Rugby entscheidet, könnte sie bald karawanenartig Fahrt aufnehmen.
Befürworter einer einzigen großen Liga in England verweisen auf 1995 und 1996, als zuletzt nur eine Liga auf der Insel ausgetragen wurde. Doch etwa Mark Lemon, der Geschäftsführer von Belle Vue, widerspricht in einem ausgiebigen Artikel in der letzten Ausgabe vom „Speedway Star“, verweist auf mangelnde Vergleichbarkeit, weil die Zeiten damals völlig anders gewesen seien: Seinerzeit sei die Britische Liga jene gewesen, in der alle internationalen Fahrer hätten antreten wollen; das sei nun nicht mehr so, Polen hätte Großbritannien als Schlaraffenland des Speedway für Rennfahrer abgelöst. Deswegen sei eine einzige Liga heutzutage nicht mehr praktikabel.
Erst recht nicht mit verschiedenen Rennabenden für jeden Verein. Die Entscheider im britischen Speedway wissen: Sie müssen in Rugby eine Lösung finden. Denn, so lautet ihre Furcht, verschwinden sie in der Bedeutungslosigkeit, und der Speedwaysport werde dann ausschließlich von Polen aus diktiert.



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