„Da musst du anpacken können“
- Norbert Ockenga
- vor 3 Tagen
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Stephan Katt beschreibt das Anforderungsprofil der Grasbahn in Werlte, wo am Sonnabend das zweite Halbfinale der Grasbahn-EM stattfindet.
Man ist halt nicht mehr der Jüngste. Erst recht nicht, wenn man so eine Krankenakte aufweist wie Stephan Katt. „Ich brauche morgens“, gesteht der 45-Jährige aus Neuwittenbek in Schleswig-Holstein, „zwei Minuten länger, bis ich die Treppe runterkomme.“
Der Catman hat im Laufe seiner etwa 30 Jahre im Sattel schon mehr Knochen gebrochen als Rallye Dakar-Star Toby Price, und das will was heißen. Sein schlimmster Unfall: 2022 beim Langbahn-WM-Lauf in Scheeßel, als er ungebremst in den Airfence knallte und sich mehr Rippenbrüche zuzog als der Mensch Rippen hat, dazu noch eine kollabierte Lunge und einen komplizierten Sprunggelenksbruch.
Der Horrorcrash von Scheeßel und sein Comeback hat Katt, ohnehin einer der coolsten deutschen Bahnsportler überhaupt, endgültig zum Helden gemacht. „Körperlich fühle ich mich wunderbar“, lacht das Nordlicht. „Ich habe meine Brüche gehabt. Aber auf dem Motorrad merke ich da nix von. Erst am nächsten Tag merkst du das; dann spürst du deinen ganzen Körper.“
Eine Werlter Rille ist kontrollierbarer als eine Osnabrücker. – Stephan Katt
In der Langbahn-WM ist Katt bislang nur unter „ferner fuhren“ zu finden. Beim letzten Rennen auf der Grasbahn in Marmande seien ihm nach eigenen Bekunden nur zwei gute Läufe gelungen. Dennoch geht er fest davon aus, sich in Werlte fürs EM-Finale zu qualifizieren:„ Wenn ich das nicht schaffen sollte, dann…“
Er lässt den Satz offen im Raum stehen und ordentlich nachhallen.

Katt kennt sich auf der Bahn vor den Toren der Kleinstadt im Emsland bestens aus. „Werlte ist eine schöne kleine Grasbahn“, charakterisiert er. „Da musst du anpacken können. Denn sie reißt ordentlich in den Armen. Du hast keine Ruhepausen, weil die Gerade zu kurz ist. In Mühldorf oder Scheeßel kannst du auf den Geraden mal Luft hören, dazu lässt dir Werlte keine Zeit. Es ist eine anstrengende Bahn. Aber wenn man älter ist, weiß man schon, wie man sich seine Kraft einzuteilen hat.“
Das Wesen der Werlter Bahn unterscheide sich grundlegend von jener in Marmande, auch von anderen deutschen Grasbahnen wie etwa den Klassikern von Schwarme bei Bremen oder Osnabrück. „Werlte hat Mutterboden, Osnabrück und Schwarme sind lehmhaltiger“, vergleicht Katt. „Du hast eine ganz andere Fahrweise. Werlte oder auch holländische Bahnen, die ich unheimlich gern fahre, sind tief und nachm Bahndienst immer gleichmäßig. Auf Lehmbahnen hast du in den Kurven Rillen, solche Rillen hast du in Werlte nicht. In Werlte hast du weichere Kanten. Eine Werlter Rille ist kontrollierbarer als eine Osnabrücker.“

Ein direkter Nebeneffekt des anderen Untergrund: Das Gras bleibt länger auf der Bahn, es wird nicht so schnell rausgerupft und runtergefahren. In Werlte bleibt die Grasbahn länger auch wirklich ein Grasbahn, wird nicht zu einer verkappten harten Langbahn umgepflügt. Dieser Effekt wird dieses Jahr am 26. Juli noch verschärft, weil der Veranstalter, der MSC Werlte, das Oval eigens fürs EM-Semifinale ganz neu angesät hat. „Es kommt drauf an, wie fest der Mutterboden ist. Davon und von der Vorbereitung durch den Bahndienst hängt es ab, wie lange das Gras hält. Je nachdem, wie die Vorarbeit war, wird es erst ab dritten oder vierten Durchgang sandiger.“
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