Die Fragen zum Medienboykott
- Norbert Ockenga
- vor 3 Stunden
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Das Schweigegelübde der deutschen U21-Mannschaftsleitung hat eine in der Branche übliche Reaktion nach sich gezogen.
Die Mechanismen sind immer dieselben. Nach einer Aktion wie dem Medienboykott der Deutschen am Tag nach der U21-Paar-WM greifen für professionelle Journalisten klare Abläufe.
Die Recherche leidet unter solchen Aktionen nicht. Man ruft einfach andere Quellen an und erfährt von denen alles Nötige. Das kostet unter Umständen etwas Zeit, hindert aber nicht an einer Berichterstattung.
Parallel dazu muss der eigentliche Eklat aufgearbeitet werden. Dazu beschreitet man offizielle Wege mit Presseabteilungen, übergeordneten Stellen und offiziellen Anfragen, bei der Brisanz des Vorfalls natürlich schriftlich und auf dem klaren Dienstweg.
Im Falle des Medienboykotts nach Thorn heißt das: eine schriftliche Anfrage an das Promotionteam Bahnsport, das beim ADAC Hansa angesiedelt ist. Darin enthalten: Schilderung des Sachverhalts – und ein ausgiebiger Fragenkatalog, um die Hintergründe der Maßnahmen gegen Medienrecherche zu verstehen.
Die Fragen sind am Montag, dem 6. Oktober, um 7:06 Uhr beim ADAC Hansa eingegangen. Sie lauten:
1. Sascha Dörner hat als einer der beiden Teammanager der Deutschen Nationalmannschaft den Fahrern der U21-Mannschaft nach dem WM-Titel am Freitag untersagt, „Informationen über das Rennen preiszugeben“. Gilt dieses Sprechverbot gegenüber allen Medien oder nur ausgewählten Publikationen oder Journalisten?
Falls die Antwort lautet „nur ausgewählten“:
1.a Nach welchen Kriterien werden diese Medien und Journalisten ausgewählt?
1.b Spielen dabei Reichweite der Medien eine Rolle?
1.c Spielen dabei Überregionalität und Reichweite in eine Zielgruppe außerhalb der reinen Kernzielgruppe der Bahnsportfans eine Rolle?
1.d Wusste Sascha Dörner, dass das WM-Finale am Samstagabend nicht nur im Stream, sondern auch im linearen Fernsehen übertragen wurde?
Egal wie die Antwortet lautet:
2. Das Ziel nach dem WM-Titel muss ja lauten, den Erfolg in einer so breiten Öffentlichkeit wie möglich medial bekanntzumachen. Welche Kommunikationsstrategie steckt dahinter, den Journalisten da den direkten Zugang zu Aussagen von den Fahrern zu verwehren?
3. War das Bahnsport Promotion Team von den Plänen des Medienboykotts durch Sascha Dörner informiert? (Oder ist der Boykott sogar ein Entschluss des Bahnsport Promotion Teams? Was man sich nicht vorstellen kann…)
4. In den meisten anderen Motorsportsparten – von Formel 1 und MotoGP über WEC bis runter zum DTM – erlebt man gerade eine Trendwende bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Die Fahrer dürfen wieder ihre Persönlichkeit zeigen. Denn nach den Vorbildern von KTM in der MotoGP und Max Verstappen in der Formel 1, aber hierzulande vor allem auch von den deutschen Handball- und Basketballnationalmannschaften haben die Verantwortlichen realisiert: Wenn man Fahrer als Helden mit Identifikationspotenzial wirken lässt, erhöht das die Akzeptanz in den Medien, die mediale Reichweite und so mittelbar auch die Attraktivität für Sponsoren sowie die Umsätze bei Merchandising und die Vorbild- und Sogfunktion für den Nachwuchs. Warum fährt die deutsche Speedwaynationalmannschaft mitten in dieser Zeitenwende die genau gegenteilige Medienpolitik?

5. Ein Sponsor der Nationalmannschaft hat sich bereits verabschiedet, zwei weitere denken über den Ausstieg nach, ein weiterer möchte seine Unterstützung neu ausrichten: mehr in Richtung eigener Fahrer, nicht mehr pauschal fürs Team. Dafür gibt es in „Blitzschutz Termin“ nur einen neuen Sponsor. Wie passt die durch den Boykott erzwungene Begrenzung der medialen Reichweite dazu, alte Werbepartner vom Bleiben zu überzeugen und neue anzulocken?
6. Welchen medialen Mehrwert haben die deutschen Sponsoren durch den WM-Titel gegenüber ihrem normalen Engagement erhalten?
7. Nach welchen Kriterien werden die Eckdaten über mediale Resonanz erhoben, analysiert und archiviert?
8. Ist eine Steigerung durch den WM-Titelgewinn feststellbar gewesen?
9. Werden diese Reichweitenzahlen an die Sponsoren der Nationalmannschaft kommuniziert?
10. Welche Maßnahmen sind ergriffen worden, um den WM-Titel der U21-Nationalmannschaft auch in Medien zu platzieren, die ansonsten nicht über Speedway berichten?
11. Die Zusammensetzung der Nationalmannschaft mit einer jungen Frau und einem Farbigen ist im ganzen deutschen Sport einzigartig – nicht nur im Bahnsport. Sie wäre also dazu angetan, dem medialen Zeitgeist zu begegnen und so eine breite mediale Aufmerksamkeit außerhalb des Bahn- und sogar des ganzen Motorsports zu generieren. Man könnte die Teamstruktur nutzen, um der Mannschaft eine gesamtgesellschaftliche Relevanz und Vorbildfunktion in Sachen Integration und Gleichberechtigung umzuhängen und die Kommunikation entsprechend auszuweiten. Welche Maßnahmen sind ergriffen worden, um zu erreichen, dank dieser Zusammensetzung in die Mainstream Medien zu kommen, und welche Resultate sind dabei rausgekommen?
12. Welche Repressalien und Konsequenzen drohen den Fahrern, wenn sie trotz des Maulkorbs von Sascha Dörner mit Medienvertretern über das WM-Finale reden?
13. Welche Geheimnisse möchte das Teammanagement verbergen?
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