Die olle Schelle
- Norbert Ockenga
- 22. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Im neuen Video, das diese Woche folgt, erfährt und sieht man alle Hintergründe zur Technik, die Lukas Fienhage am Sonntag den Langbahn-WM-Titel gekostet hat.
Lukas Fienhage zieht eine Grimasse. „Jetzt“, knirscht er im Innenfeld von Roden, „kann ich die Schulter gar nicht mehr bewegen.“ Dabei macht er eine kreiselnde Bewegung mit dem rechten Arm. Doch die Schulter hängt einfach nur schlaff herab.
Die Bilder sieht man im exklusiven Video von bahndienst.com mit Interviews und Hintergründen aus dem Fahrerlager. Dort äußerst sich Fienhage auch en detail zum Rennen in den Meeden bei Groningen.
Der WM-Tabellenführer fährt im Training am späten Vormittag einen Vergleichstest zwischen seinen beiden Maschinen. Deren Motoren weisen unterschiedliche Charakteristika auf. Fienhage entscheidet sich für das Aggregat mit der leichteren Kurbelwelle. Der Motor ist zwar giftiger zu fahren, geht aber besser aus den Bändern.
Die Schmerzen sind eine Folge vom Unfall beim Mannschafts-WM-Rennen auf der Langbahn in Vechta. Bereits vor dem Endlauf in Roden eine Woche später hatte der Blondschopf aus Brockdorf bei Lohne gesagt: „Ich spüre die Schulter vor allem dann noch, wenn ich nach vorn drauflehne und den Oberkörper ein bisschen eindrehe.“ Also genau in jener Haltung, die ein Langbahnfahrer in den Kurven innehat.
Wir wollten zwei Mal Gold. Jetzt ist es zwei Mal Bronze. – Lukas Fienhage
Während der Heats von Roden geht es Fienhage wie fast jedem Bahnsportler: Das Adrenalin, das durch die Adern rauscht, legt das Schmerzempfinden kurzfristig still. „Aber speziell nach den Läufen, wenn ich mich wieder vorbereitet habe für den nächsten Lauf“ hätte die Pein ihn dann wieder eingeholt.
Doch nicht die Verletzungsfolgen haben Fienhage den möglichen WM-Titel gekostet – sondern zwei technische Details. „In den letzten beiden Vorläufen hatte ich super Starts und war nach der ersten Kurve vorn. Im vierten Qualifikationslauf ist die Schelle von meinem Vergaser aufgegangen, vielleicht durch die Vibrationen. Der Vergaser ging ein bisschen hoch. Die Leistung wurde von Meter zu Meter weniger. Ich hatte in dem Lauf schon 50 Meter Vorsprung“, ärgert er sich.

Wie kann so etwas passieren? Fienhages Tuner Robert Barth erklärt im Video von bahndienst.com aus Roden: „Der Vergaser ist abgefallen, weil die Schelle, an der man den Vergaser befestigt, kaputtgegangen ist. Dementsprechend hat der Vergaser zuerst Falschluft gezogen – so lange, bis dann der Vergaser komplett runtergefallen ist.“
Wenn solch’ ein Defekt zwischen zwei Heats repariert wird, müsse man stets auch auf Folgeschäden achten, sagt Barth: „Wir haben das Zündkabel und alles geschenkt und auf Anweisung noch einen Probestart gemacht. Die Mechaniker hatten das Reservemotorrad mit dabei. Aber es hat alles gepasst.“

Im alles entscheidenden Lauf, der über den direkten Einzug ins Finale entscheiden sollte, lag Fienhage erneut in Führung. Dann purzelte der Schmutzfänger vom Hinterrad auf die Bahn. Ist der bei der großen Reparatur der Vergaserhalterung auch mit angefasst worden, das Runterfallen also ein Folgeschaden? Barth winkt ab: „Das Abfallen vom Dirtdeflector ist ein Materialproblem. Da ist eine Schraube drin, die in der Tschechei hergestellt worden ist.“
Fienhage rechnet das Triell mit Zach Wajtknecht und Chris Harris nach: „Ich habe sechs Punkte durch die beiden Dinger verloren, was natürlich schwerwiegend ist. Hätte ich den Lauf gewonnen, wo ich den Dirtdeflector verloren habe, wäre ich direkt im Finale gewesen. Stattdessen hätten Zach und ‚Bomber‘ im Last Chance Heat gemusst.“
Stattdessen muss Fienhage die Ehrenrunde drehen – und bleibt prompt daran hängen: „Im Last Chance Heat hatte ich die schlechteste Startposition. Da ging gar nichts: Ich habe die Kupplung losgelassen; der erste Meter war gut, aber danach hatte ich keine Traktion mehr.“
So bleibt im Video nur das nüchterne, aber dennoch bittere Resümee: „Dieses Jahr ist es zwei Mal Bronze. Wir wollten zwei Mal Gold. Aber das ist es nicht geworden.“
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