Die verhinderte Sensation
- Norbert Ockenga
- vor 2 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Nur ein Regenabbruch vereitelt, dass die gerupfte deutsche Nationalmannschaft beim Langbahn der Nationen ganz vorn landet.
Die Strategie entsteht schon am Abend vorher. „Wir werden Lukas Fienhage immer den besten Startplatz geben“, kündigt Jörg Tebbe am Abend nach dem U23-Juniorenweltcup in Vechta an. „Denn dann rechnen wir damit, dass er jeden Lauf gewinnen kann. Und dann würde es bei der Punktevergabe mit sechs Mann aus zwei Nationen aus der Bahn reichen, wenn unsere anderen beiden Fahrer Vierter und Fünfter werden würden. Dann hätten wir den direkten Vergleich gewonnen.“
Die Länderkämpfe, die das Langbahn der Nationen ausmachen, bringen es mit sich, dass eine solche Strategie mit einem Hasen voll aufgehen kann: Für den Sieg gibt es fünf Laufpunkte, für den vierten und fünften Rang noch drei Punkte. Mit diesen acht Zählern würde es dann langen, das andere Länderteam zu schlagen: Das käme mit den Plätzen 2, 3 und 6 nur auf sieben Punkte.
Weil die deutsche Nationalmannschaft ohne Drei – Martin Smolinski, Erik Riss und Daniel Spiller – auskommen muss, muss Tebbe als Teammanager entsprechend auf diese defensive Taktik umschwenken.
Und das geht zu Beginn des Team-WM-Finals in der Stoppelmarktstadt auch direkt auf: Fienhage, dessen Vater Uwe beim gastgebenden AC Vechta Motorradsportchef ist, gewinnt alle Rennen. Die Deutschen sammeln so viele Länderpunkte, dass sie vor Finnland und den großen Favoriten aus England in Führung gehen.

Bis der große Regen kommt. Die Bahn ist komplett geflutet. Die Bahndienstler des AC Vechta sind sicher: Sie können nach dem Schauer die Piste wieder retten, sodass der Abend fortgeführt werden kann. Doch in Rücksprache mit der Jury und den Rettungsdiensten wird dennoch ein Abbruch beschlossen. Denn für den späteren Abend, in den hinein sich das Rennen dann unweigerlich ziehen würde, ist erneut ein sehr heftiger Regen vorhergesagt.
Stattdessen wird die Team-WM am kommenden Vormittag ab 11 Uhr nachgeholt – bei offenen Toren, damit keine Zweifel bestehen, dass sich jemand, der am Vorabend im Reiterwaldstadion war, erneut Eintrittskarten kaufen muss.
Auch am Sonntag versucht Deutschland sich mit der Taktik, Fienhage als Hasen einzusetzen. Doch die Engländer sind die großen Profiteure des Abbruchs: Denn am Samstagabend baut Andrew Appleton einen so schweren Unfall, dass seine Einsatzmaschine ein Totalschaden war und er sich selbst reichlich durch den Wolf gedreht fühlte. Doch nach dem Abbruch konnte sein Team rund um Mechaniker Stuart „Peachy“ Mears die Maschine für den Folgetag wieder richten, und auch die Prellungen von Appleton klangen wieder ab.
Und England war nicht der einzige Nutznießer. Auch die Niederländer fanden besser in den WM-Lauf: Ihrem typischen Grasbahnstil war die feuchte, schmierige Bahn am Sonnabend schlicht zu glatt. Am Sonntag konnten sie sogar einen Motorschaden von Romano Hummel zu Beginn verkraften.
Nur die Franzosen, die auch auf eine kleine Wunderheilung gehofft haben, können nicht profitieren: Der am Freitagabend bei den Junioren verletzte Tino Bouin kann auch sonntags noch nicht fahren, wegen Schmerzen im halben Oberkörper. Und sonntags stürzt Tero Arnie von den am Vortag überraschenden Finnen gleich zu Beginn happig.
So rüttelt sich die Hackordnung am Sonntag anders zusammen. Appleton, Zach Wajtknecht und Chris Harris nehmen das Zepter in die Hand, dahinter rangeln die Deutschen und die Niederländer um den zweiten Finalplatz. Im entscheidenden Rennen gegen die Franzosen geht die deutsche Hase-und-Igel-Taktik scheinbar wieder auf: Fienhage liegt in Führung – trifft dann aber in der allerletzten Kurve eine Rille, wird ausgehebelt und in eine unkontrollierbare Geradeausfahren gezwungen. Fienhage springt ab, verletzt sich ein bisschen an einer Schulter – und knirscht hinterher, es sei seine Schuld, dass die Deutschen nicht ins Finale gekommen seien.
In der Tat: Hätte der zwei Tage vorher 26 Jahre alt gewordene Blondschopf gewonnen, wären die Deutschen dank seiner fünf Punkte ins Finale eingezogen. So schafften es die Niederländer.
Im entscheidenden Duell gegen Großbritannien verlieren die Niederländer erneut Romano Hummel wegen Motorschadens. Harris übernimmt die Führung vor Waitknecht und Appleton. Dave Meijerink beißt sich hinter dem Union Jack-Trio auf Rang 4 fest, doch die Drei von der Insel lassen nichts mehr anbrennen und werden Weltmeister vor den Niederlanden. Deutschland setzt sich im Kampf um Rang 3 gegen Dänemark durch.
Mehr zur Langbahn-WM der Mannschaften inklusive O-Töne der deutschen Fahrer folgt im Laufe der Woche in einem eigenen Podcast zum Spektakel in Vechta. Dazu wird's auch noch ein Video zum Triumph von Fabian Wachs, dem 22-Jährigen als Werlte, beim Juniorenweltpokal in Vechta am Freitagabend geben.
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