Ein überwältigender Sonntag
- Norbert Ockenga
- vor 8 Stunden
- 6 Min. Lesezeit
Die neue Kommunikationsidee rund um die Langbahn-WM in Scheeßel hat viel besser eingeschlagen als gedacht. Jetzt ist aber Eure Meinung dazu gefragt.
Es ist der Vormittag des Langbahn-WM-Laufs in Scheeßel, und Robert Barth ist gerade auf dem Weg zu seinem Schützling Lukas Fienhage – da macht der ehemalige Weltmeister und heutige Motortuner plötzlich Halt. „Ich habe gehört“, erkundigt sich der Memminger, „Du gibst heute richtig Gas? Find’ ich gut, dass endlich mal was passiert.“
Der Nussknacker, wie Barth zu seinen aktiven Zeiten genannt wurde, ist gerade erst von Fotografenlegende Ubbo Bandy am Flughafen Bremen aufgelesen und die 50 Kilometer über Hansalinie und Bundesstraße zum Eichenring gebracht worden. Und der Bayer hat offenbar die Sozialen Netzwerke genau verfolgt. Denn Scheeßel war ein kurzfristig anberaumter Testballon für einen neuen Kommunikationsansatz: live hochgeladene Kurzvideos während des Renntages – mit schnellen Nachrichten und Zusammenfassungen des Geschehens direkt aus dem Fahrerlager. Die Idee kreißte so kurz und gebar so rasch, dass sie kaum beworben wurde – nur über Social Media selbst.
Die Idee dahinter: eine mehrspurige Schnellstraße. Bahnsportfans sollten direkt mit hochaktuellen News versorgt werden. Aber ganz bewusst über die Sozialen Netzwerke der Zeitschrift PITWALK – damit auch deren Leser, die sich traditionell eher für Automobilsport interessieren, mit der Nase auf den für sie oft noch fremden und exotischen Bahnsport gestoßen werden. Aus PITWALK-Lesern sollen neue Bahnsportinteressierte gemacht werden. Und, zugegeben, der Weg soll auch andersrum funktionieren: aus Bahnsportfans, die sich auch für Formel 1 und Co. interessieren, natürlich auch PITWALK-Leser. Und die Bahnsportfans, die bahndienst.com noch nicht kannten, sollten auch auf die immer noch junge Website aufmerksam gemacht werden – das neue Leitmedium für Speedway, Lang- und Grasbahn sowie Eisspeedway in Deutschland schlechthin ist auch noch so jung, dass sein Wachstum noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Aus diesem vierfaltigen Ansatz heraus wurden die Social Media-Accounts von PITWALK für die Kurzvideos auserkoren. Auf Facebook, Instagram, Threads, Signal und X heißen sie allesamt „@pitwalkmedia“, auf YouTube einfach nur „@pitwalk“. Und genau diese Kanäle sind am Sonntag ab dem Vormittag mit aktuellen Kurzvideos versorgt worden: „Shorts“ auf YouTube, „Reels“ auf Instagram und Facebook, normale Filme in den jeweiligen Feeds von Threads und X sowie in den Storys auf Signal. Die Filmchen bestanden zum Teil aus Interviews etwa mit Lukas Fienhage, Martin Smolinski, Chris Harris und Andrew Appleton, aber auch aus Impressionen aus dem Fahrerlager vorm Rennen – oder einfach nur aus moderierten Kurzzusammenfassungen und -erklärungen, was in den jeweiligen Heats eines Blocks zwischen zwei Bahndiensten passiert ist und warum.
Rennaction konnte es dabei nicht geben, denn die Rechte an bewegten Fahrbildern bei der Langbahn-WM hält der Motorradweltverband FIM für seinen Streamingdienst exklusiv. Aber ehrlich gesagt: Backstage ist’s sowieso meist interessanter als auf der Bahn, und Backstagerecherche ist das klare Steckenpferd sowohl von PITWALK als auch von bahndienst.com. Nicht umsonst lautet das Motto, das für die Podcastreihe PITCAST schon vor Jahren erdacht wurde: „Wir reden nicht über Fahrer – wir reden mit Fahrern.“
Bereits am Renntag in Niedersachsen fiel auf, wie unheimlich kooperativ die Fahrer sind – und wie wissbegierig die Fans die Filme aufsaugen. Bei beiden Seiten stellt man eine tiefe Dankbarkeit fest: bei den Piloten, dass sie ihren Sport weiter als bis dato in die Öffentlichkeit und in die Welt hinaustragen und auch mal tiefere Zusammenhänge erklären können – und bei den Zuschauern, dass sie Informationen aus erster Hand bekommen, die sie bislang nirgends gekriegt haben. Oder wenn, dann nur auf Englisch – wo oft viel „lost in translation“ ist, um einen berühmten Film zu zitieren. So jedenfalls lautet ein viel in den Kommentaren zu lesendes Feedback.
Die Kurzfilme haben also nicht einfach nur eine Nische besetzt – sondern ein Vakuum ausgefüllt, von dem vorher gar nicht so richtig klar war, wie groß es tatsächlich ist.
Die wahre Überraschung kam dann aber am Mittwochmorgen. Noch bevor die für diesen Vormittag eigentlich angesetzte genaue Datenauswertung der Zugriffszahlen und Rückmeldungen begann, vermeldete Facebook von sich aus, ein Reel allein schon sei mehr als 10.000 Mal aufgerufen worden.

Ein einziger aus der Flut von etwa einem Dutzend Filmen, die am Rennsonntag an der Wümme entstanden sind. Und dann auch nur auf einem der insgesamt sechs Kanäle, die immer gefüttert worden sind, Da kann man sich leicht ausrechnen, in welch’ Dimensionen die absolute Reichweite aller Filme und Beiträge aus Scheeßel vorgedrungen ist – und was für ein immenser Nutzen das für das Wachstum der Außenwirkung des Langbahnsports bedeutet hat.
Aber, so ehrlich muss man auch sein: Es sind Fehler passiert, ob derer man sich im Nachhinein an den Kopf fasst. Auf manchen Kanälen sind einige Videos gar nicht, andere dafür aber doppelt und dreifach hochgeladen worden. Auf den ersten Blick sah’s manchmal aus wie Kraut und Rüben. Die Ursachen sind klar: Instagram, YouTube, Facebook, Threads, Signal und X mussten alle nacheinander bedient werden, jedes Hochladen dauert seine Zeit. Dann aber geschah während des Uploads wieder irgendwas im Fahrerlager, das fotografiert, gefilmt, zumindest aber besprochen werden musste – und schon war der Faden des Hochladens gerissen. War das jetzt schon fertig? Oder abgebrochen? Oder hatte man mit diesem Kanal noch gar nicht begonnen, sondern nur jenen gefüttert? Und warum war auf Instagram überhaupt ein Ton zu hören, im YouTube-Short aber nicht?
Ganz abgesehen davon, dass Jörg Tebbe in einem Newsfeedvideo im Eifer des Gefechts ein verbaler Laufsieglorbeer umgehängt wurde, obwohl er in Wahrheit in seinem Eröffnungsheat Zweiter geworden ist.
Für einen Perfektionisten ist der erste Blick auf die verschiedenen Feeds am Montagmorgen, wieder im Büro, ein ziemliches Ärgernis gewesen.
Doch die Resonanz durch die Kommentare, die Likes und erst recht dann am Mittwoch die konkreten Zugriffszahlen beruhigen einen da wieder. Der Weg ist offensichtlich richtig. Man muss halt üben und die Arbeit im Fahrerlager etwas anders strukturieren.
Aber schließlich war’s ja auch der erste Anlauf. Und die ersten Köpper vom Dreimeterbrett sind früher auch immer in schmerzhaften Bauchklatschern gemündet.
Das ist keine Entschuldigung, aber eine Erklärung für manche Fehler, die da passiert sind.
Trotz der Ärgernisse aber bleibt zu sagen: Die Arbeit an diesem neuen Format in Scheeßel hat Spaß gemacht wie schon lange nichts mehr. Wegen der Fahrer – und auch wegen der Fans und User. Erstaunlich war, wie viele Nutzer erst montags oder dienstags die Feeds gesehen und weiter geteilt haben. Aber auch das muss sich wahrscheinlich erst einschleifen – und man muss früher mitteilen, dass man diese innovative Kommunikationsform anbietet. Nur wer weiß, was auf Social Media geboten wird, kann schließlich auch von Anfang an dabei sein.

Der Eindruck von Sonntag hat sich im Laufe der ersten halben Woche nach Scheeßel verfestigt: Da ist eine neue Form der Bahnsportberichterstattung aufgebaut worden, welche die Maßstäbe in der Kommunikation verschoben hat – und die eine optimale Ergänzung zu Textnachrichten, Forenbeiträgen und Podcasts darstellt, die aber vor allem eine deutlich höhere Reichweite erzielt. Sowohl in der Kernzielgruppe als auch in eine Klientel hinein, die vom Bahnsport überzeugt werden soll. Und genau die ist wichtig: Neben den bestehenden Fans braucht der Sport neue Interessenten, auch aus einer anderen Zielgruppe heraus. Mit den Videos, Shorts, Feeds und Reels sind genau die beiden wichtigsten Adressaten auf innovative Art und Weise bedient worden: Hardcorefans und potenziell Interessierte. Beide haben einen neuen Mehrwert erhalten.
Ohne die Bereitwilligkeit der Fahrer, mitzuziehen und Auskünfte zu erteilen, oft auch im Eifer des Gefechts oder mit besonderen Anfragen, wäre all’ das nicht möglich gewesen.

Und das Projekt der innovativen Berichterstattung endet ja nicht mit den Kurzfilmen: In den nächsten Tagen wird es noch einige große Videos, einige Hintergrundfilme, einen Podcast und ein paar weiterführende Textnachrichten aus der Langbahn-WM geben. Was mit dem Eisspeedway in Inzell und Heerenveen zu Beginn der Existenz von bahndienst.com begonnen wurde, hat in Scheeßel bei der Langbahn-WM seine logische Fortsetzung in der zweiten Evostufe erfahren.
Das Fazit eines intensiven Tages im Fahrerlager lautet also: eine Powerbank leer, Datenvolumen des Handys zu 80 Prozent aufgebraucht, Tank und Akku des Pluginhybrid auch leer – aber große Zufriedenheit. Und tiefe Dankbarkeit gegenüber den Fahrern, Mechanikern – und den Fans und Usern respektive Followern.
Jetzt seid Ihr gefragt: Schreibt doch bitte unten in die Kommentare rein, wie Euch die hochaktuelle Berichterstattung aus Scheeßel gefallen hat. Ob und von welchen Rennen wir Vergleichbares noch mal wiederholen sollen. Und was wir dann dabei künftig verbessern oder anders machen sollten. Denn schließlich seid Ihr diejenigen, denen die Inhalte gefallen sollen. Darum: Jede Meinung zählt und wird gelesen. Je mehr Ihr kommentiert, desto besser. Denn Ihr könnt und sollt Euren Teil dazu beitragen, bahndienst.com und alle zugehörigen Projekte noch besser zu machen.
Wir sind gespannt auf Eure Kommentare und freuen uns über möglichst viele Meinungen und Anregungen! Also: Nix wie ran an die Tastatur – und noch Mal Danke für den tollen Sonntag!
Finde gut das mal jemand hinter den Kulissen schaut und mal den offiziellen bischen kontra gibt.
Man sehe zum Beispiel Nationalmannschaft was da so gelaufen ist oderviele andere das sie unter den Teppich kehren wollen.
Als nächstes wird die Challenge in Morizes kommen. Auch da haben sie die Fahrer wieder unter der Hand Nominiert und nicht nach der DM oder noch viel schlimmer nach der Leistung.
Mach weiter so
Moin
Ich fande die Videos super interessant, informativ und ansprechend.
Ich finde es zeigt den Leuten wie der bahnsport wirklich ist.
Und was für eine tolle Sportart,es ist.
Ich konnte leider nicht dabei sein, deswegen waren die Videos für mich natürlich perfekt.
Ich hoffe es schließen sich noch mehr Leute den bahnsport an.
Liebe Herr Ockenga ,ich verfolge schon lange ihre Berichte. Ich denke uns Bahnsport wir endlich ins richtige Licht gerückt. Ich kann nur Bravo sagen. Bitte macht weiter so.
Jetzt eine Frage, ihr berichtete von Scheeßel vor dem Rennen von Romano Hummel und Gerd Riss, beide habe ich aber nicht fahren sehen, warum nicht?
LG Hansjürgen Strahmann