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„Fünf wären noch schöner“

Chris Harris will besser werden als die größte Legende des britischen Lang- und Grasbahnsports schlechthin.


Nein, grinst Chris Harris, allzu lange überreden hätte er seinen Sohn Cruz nun wirklich nicht müssen. Denn der Junior des 42-Jährigen aus Cornwall fährt selbst schon Kinderspeedwayrennen auf der Insel – und nimmt deswegen das Angebot dankbar an, beim prestigeträchtigen British Masters in Pencombe quasi als Einlaufkind vor der Fahrervorstellung der Teilnehmer aller Klassen vorauszufahren.


Papa Chris Harris müsste da eigentlich noch reichlich übernächtigt sein. Denn er ist in der Nacht vor der Veranstaltung des Ledbury MCC in der Grafschaft Herefordshire in den englischen West Midlands erst gegen drei Uhr überhaupt nach Hause gekommen – nachdem er am Samstagabend zuvor für seinen schottischen Zweitligaklub Glasgow ein 15-Punktemaximum geholt hat. Doch er sei „wach und auf Posten“, versichert Harris.


Schon im Training rollt Harris, als Titelverteidiger erklärter Favorit auf den Grasbahnmasterstitel, aus, auch in zwei Vorläufen erreicht er jeweils nicht das Ziel. „Im Training ist mir eine Kette runtergesprungen, im Rennen sogar gleich zwei“, schildert er. „Wir vermuten ein Problem mit dem Kettenschutz, dem müssen wir noch auf den Grund gehen.“


Um die beiden Ausfälle herum gewinnt er zwei Heats und wird vom Dänen Jacob Bukhave, der als einziger Ausländer und erstmals beim Masters an den Start geht, knapp geschlagen. Die Punkteausbeute reicht, um sich für ein Halbfinale zu qualifizieren.


Ich mache jetzt Jagd auf den Rekord von Simon Wigg. – Chris Harris

Doch Andrew Appleton wirkt in den Vorläufen deutlich besser. Der ehemalige Grasbahneuropameister hat das Masters schon vier Mal gewonnen – aber zuletzt vor 11 Jahren. Appleton gewinnt drei Vorläufe – genau wie James Shanes. Der hat seinerzeit auch vier Mal das Masters gewonnen, ist aber seit dem letzten zu Ende gefahrenen Masters 2021 drei Jahre lang verletzungsbedingt aus dem Sattel gewesen und erst vor kurzer Zeit wieder zurückgekehrt. Martin Williams ist ein weiterer Rückkehrer in den Sport, nachdem er in den Nullerjahren sechs Mal beim Masters dabei und oft unter den ersten 6 war. Der Lokalmatador hätte sich auch für ein Halbfinale qualifiziert. Doch beim Start in den letzten Vorlauf geht ihm ein Motor hoch, und da er keinen Ersatz dabei hat, endet sein Tag vor dem qualifizierten Halbfinale.


Appleton gewinnt sein Halbfinale vor Mickie Simpson – der bei den letzten abgebrochenen Masters, deren Ergebnisse annulliert wurden, zwar auch schon dabei war, aber durch die Abbrüche dieses Jahr netto sein Debüt gibt – sowie der mit der gleichen Statistik zu belegende Cameron Taylor und Alfie Bowtell, der bei seinem Masterseinstand 2021 in Astra Sechster wurde. Da die Punkte aus den Vorläufen in die Addition der Wertung mitgenommen werden, ist damit klar: Harris kann sich in seinem Halbfinale keinen Kettenriss oder sonstigen Ausfall leisten – sonst ist er vorm Endlauf draußen.


Chris Harris hat nun drei British-Masterssiege auf dem Konto. Foto: ACU
Chris Harris hat nun drei British-Masterssiege auf dem Konto. Foto: ACU

Bomber bleibt cool und stürmt in seinem Semi zum Sieg vor Shanes, Debütant Darryl Ritchings sowie dem zweimaligen 350-Kubikvizemeister Jack Roberts.


Appleton darf zuerst den Startplatz wählen. Doch Harris kommt beim Start am besten weg, liegt in Führung, als hinter ihm die beiden Jungspunde Taylor und Simpson sich verhaken. Taylor wird in einem Highsider im hohen Bogen abgeworfen und braucht wegen einer Schulterverletzung notärztliche Erstversorgung, Simpson legt seine Maschine sicherheitshalber um und baut auch einen happigen Crash, bleibt dabei aber unverletzt.


Im Wiederholungslauf startet Harris erneut am besten – nur um wieder von der Roten Fahne eingefangen zu werden. Dieses Mal hat Shanes sich am Hinterrad von Bowtell verfangen, nachdem der ins Trudeln geraten ist. Shanes wird über den Lenker abgeworfen – tritt aber zum dritten Wiederholungslauf erneut an.


Im dritten Anlauf führt Harris wieder vom Fleck weg vor Appleton, der mit teils wüsten Manövern versucht, den Cornishman vor sich anzugreifen. Hinter ihm ist Ritchings auch auf Schlagdistanz dran. Doch es kommt zu keinen Überholmanövern mehr.


Für Harris ist das der dritte Mastersieg. Er bedauert aber im typisch englischen Scherz, dass die Abbrüche und Absagen der letzten Jahre die Bilanz verhageln: „Schön, drei Mal das Masters gewonnen zu haben. Fünf wären noch schöner gewesen, aber die letzten beiden Auflagen mussten ja abgebrochen werden. Da kann man nichts machen. Dieses Jahr war’s eine anspruchsvolle Veranstaltung, ein sehr langer Tag.“


Schon jetzt stehe für ihn fest, dass er im kommenden Jahr wieder beim Masters antritt: „Ich mache jetzt Jagd auf den Rekord von Wiggy. Und ich höre nicht auf, bis ich den eingeholt habe.“


Der unvergessene Simon Wigg aus Aylesbury, der unter anderem für das Speedwayteam Berlin-Wolfslake in der deutschen Superliga fuhr und der mit 40 Jahren an einem Hirntumor starb, hat das British Masters in den Achtzigern und Neunzigern sechs Mal gewonnen.


 
 
 

2 Comments


Jack Leipsch
Jack Leipsch
vor 20 Stunden

Klar, zu wünschen könnte man es dem Bomber, denn dann würde dieser dem Grasbahnsport noch lange erhalten bleiben-zumal ich dem Bomber mit dem Guten-Alten Wein vergleiche...

Was aber das Charisma sowie diese geniale Professionalität in Sachen Auftreten-Maschinen, u.a.

anbelangt, da sehe ich unseren unvergessenen Wiggy uneinholbar vorne liegen, denn dieser Fahrer war seinerzeit der Zeit weit voraus und sucht bis heute vergebens solche Fahrer,

die unseren Sport auch öffentlich würdig vertreten konnten.


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Guest
vor 19 Stunden
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Das wäre in der Tat ein rein statistischer Wert. Von der Persönlichkeit, von Charisma und auch dem Auftreten sind das zwei verschiedene Ligen.

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