Gast-Arbeiter
- Norbert Ockenga
- vor 17 Stunden
- 4 Min. Lesezeit
Warum Inn-Isar-Racing sich für die Zweite Liga in Olching bei einem Gegner bedient und was die kurzfristige Umbesetzung für das Kräfteverhältnis des Rennens am Sonntag bedeutet.
Eine ordentliche Prise Pragmatismus gehört dazu. „Das ist mir relativ wurscht“, versetzt Mika Frehse drei Tage vorm Zweitligarenntag in Olching. „Ich zieh’ mir einfach meine Kombi über und versuche, so viele Punkte wie möglich zu schreiben.“
Dabei tritt der 19-Jährige aus Wismar am Sonntag in Olching, einem Vorort von München, für ein Team an, das er bei den bisherigen Veranstaltungen der Zweiten Bundesliga noch bekämpft hat: für Inn-Isar-Racing, die Tabellenführer aus Wasserburg am Inn. Bislang hatte Frehse stets den grünweißen Rennanzug der Teterower Hechte getragen. Die hatten beim letzten Rennen in Meißen nur knapp hinter Inn-Isar-Racing den dritten Rang belegt.
Der besondere Melodiebogen der Zweiten Bundesliga erlaubt solche Doppelauftritte für gegnerische Teams – wie man sie auch aus der englischen Ligalandschaft als „guest facility“ kennt. Bis zu zwei Mal pro Jahr dürfte also quasi Manuel Neuer auch das Tor des FC St. Pauli hüten. Frehse übernimmt in Olching den Platz des an sich eingeplanten Richard Geyer – der kurzfristig verhindert absagen musste. „Ich wurde bereits beim letzten Lauf in Meißen von Celina Liebmann“, der Mannschaftsführerin von Inn-Isar-Racing, „gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, einzuspringen, falls ein Fahrer absagen müsste.“
Speedway fand ich gleich spannender als Motocross. – Mika Frehse
Denn in den Reihen von Inn-Isar-Racing ist Bruno Thomas seit seinem Handgelenksbruch ein Wackelkandidat. Zwei Comebackversuche sind schon fehlgeschlagen, weil lediglich sechs Wochen seit seiner Handgelenks-OP vergangen sind. Thomas steht für Olching auch erneut nicht im Aufgebot der Bayern, sondern wird wieder von Lukas Wegner ersetzt. Und als nun auch noch Geyer in der Woche vorm Rennen absagen musste, kam die Idee von Gastfahrer Frehse wieder aufs Tapet. „Ich habe zwei bis drei Tage darüber nachgedacht“, blickt der Hansestädter zurück, „und dann natürlich zugesagt.“
Wo aber ist Geyer? „Ich habe ein riesiges Transportproblem, mein Material nach Olching zu bekommen“, antwortet der Sachse. „Das ist der Grund, warum ich das Rennen schweren Herzens absagen musste.“
Frehse ist neben Lars Skupień, der in Olching wieder anstelle der verletzten Celina Liebmann auf der A-Position bei Inn-Isar-Racing fahren wird, eine der erfreulichsten Geschichten der deutschen Speedwaylandschaft. „Ich mache den Sport erst seit drei Jahren“, erzählt er. „Vorher bin ich Motocross gefahren und da auch Landesmeister Mecklenburg-Vorpommerns geworden. Dann habe ich einfach mal Speedway ausprobiert – und das fand ich gleich spannender als Motocross. Denn beim Cross baust du einfach nur einen Luftfilter ein und fährst los. Im Speedway hast du viel mehr technische Möglichkeiten: Übersetzung, Düse, Luftdruck. Diese Feinabstimmung hat mir im Motocross immer gefehlt.“

Liegt’s an den Genen? Oder am Alltagsjob? Der Vater von Mika Frehse ist Thomas Hopp – in der unmittelbaren Wendezeit zwei Mal Jugendmeister und ein Mal Dritter bei den Senioren in der Speedwaylandesmeisterschaft der DDR. Und Frehse selbst ist in Wismar Azubi zum Kfz-Mechatroniker, hat also ein Herz und auch ein Händchen für technische Friemelarbeit.
Hopp fuhr damals für den MC Kraftverkehr Parchim. „Jürgen Liebmann kommt mit Vatti gut klar“, blickt Sohn Mika Frehse zurück, der den Nachnamen der nicht angetrauten Mutter trägt. Der ehemalige Eisspeedwayfahrer Jürgen Liebmann wiederum ist Vater von Mannschaftsführerin Celina, Gatte von Teammanagerin Sylvia und heimlicher Architekt des auffallend erfolgreichen Ligaeinstands von Inn-Isar-Racing in diesem Jahr.
Frehse ist eng verbandelt mit dem traditionsreichen MC Bergring Teterow. Auch sein Tuner stammt aus der Bergringstadt: Christoph Wilken unterhält in Teterow eine Kfz-Werkstatt, hat auch schon Motoren für Kevin Wölbert vorbereitet. „Wismar ist eine Stunde von Teterow entfernt. Ich bin im vergangenen Jahr auch auf dem Bergring gefahren. Das wollte ich dieses Jahr wieder machen. Deswegen habe ich mich auch so für das Pfingstrennen auf der Speedwaybahn engagiert, als klar war, dass das stattfinden kann. Und wenn in Teterow Training ist, bin ich auch jedes Mal dort – und trainiere zusammen mit Danny Knackowski die jungen Fahrer mit.“
In Olching zählt er selbst zu jungen Garde. „Ich war noch nie da, aber ich habe mich mit einigen Videos darauf vorbereitet. Die Bahnen in meiner direkten Umgebung sind meist deutlich kleiner: Güstrow, Ludwigslust und Teterow. Aber Wittstock ist auch schon etwas größer – und da bin ich immer super rumgekommen. Ich fahre auf solchen Bahnen gerne außen in den Griff rein und mach’ dann die Geraden ganz lang.“
Das ist für die Riesenpiste vor den Toren Münchens allemal ein probates Mittel.
Allerdings hat Frehse es in Bayern mit harten Brocken zu tun: Er rückt bei Inn-Isar-Racing auf die B-Position hinter Teamleader Lars Skupień auf, während er in Teterow noch auf der Planstelle C hinter Knackowski und Hannah Grunwald aufgestellt war. In Olching sind seine direkten Gegner Patryk Hyjek für die Gastgeber und Jonny Wynant für die Cloppenburg Fighters, die unmittelbaren Verfolger von Tabellenführer Inn-Isar-Racing in der Gesamtwertung.
Überhaupt verspricht die Aufstellung der drei besten Teams einen Thriller von einem Rennsonntag in Olching: Die Gastgeber bieten Martin Smolinski, den driftenden Klubpräsidenten, sowie Hyjek, die pfeilschnelle Patricia Erhart, den Wunderknaben Carlos Gennerich sowie Mario Häusl als Kracherreservisten auf. Cloppenburg reist mit dem zurück ins Aufgebot geholten Lokalmatadoren Lukas Fienhage, Jonny Wynant, dem neuen U21-Deutschmeister Janek Konzack, dem friesischen Toptalent Thies Schweer, der aber eine Viertellitermaschine fährt, sowie dem Ersatzfahrer Carl Wynant an. Lediglich die White Tigers Diedenbergen fallen mit ihrer Besetzung ab. Doch Olching, Cloppenburg und Inn-Isar-Racing sind alle aus eigener Kraft siegfähig.
Frehse schüttelt solche Überlegungen nonchalant ab. „Ich habe mich“, lächelt er, „mit den Aufstellungen und Mannschaftsgefügen noch gar nicht so genau beschäftigt. Ich fahr’ da einfach hin und fahre so gut wie möglich.“
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