Gerettet, aber nicht geheilt
- Norbert Ockenga
- vor 1 Stunde
- 4 Min. Lesezeit
Wie ist es um die Lage vom polnischen Traditionsverein Stal Landsberg wirklich bestellt?
Es ist kein Geheimnis: Dass 2026 kein Grand Prix in Landsberg, sondern stattdessen erstmals in Lodsch stattfindet, liegt an der Finanzkrise des Vereins an der Warthe. Wie konnte der einstige Vorzeigeklub derart in Schieflage geraten?
Ende Oktober 2024 wurde die wahre Dimension der Probleme bei Landsberg bekannt: Im Rahmen eines Audits, den die Stadtverwaltung auf Anweisung von Stadtpräsident und Stadtrat in Auftrag gegeben hatte, ergab sich, dass der Verein samt seiner Tochtergesellschaften erhebliche Verbindlichkeiten anhäuft.
Demnach hatte Landsberg am 24. Oktober 2024 Verbindlichkeiten gegenüber 109 verschiedenen Gläubigern. 105 dieser Verpflichtungen waren kurzfristig.
Die Gesamtsumme der Verbindlichkeiten betrug laut der Buchprüfung zum 24. Oktober 2024 rund 13.249.802,65 Złoty, also eta 3,23 Millionen Euro; bis zum 31. Oktober 2024 sank der Wert auf 12.091.316,82 Złoty, also 2,85 Millionen Euro.
In der öffentlichen Erklärung des Vereins hieß es, die Schulden hätten „Tendenz fallend“.
Die Wirtschaftsprüfer und die städtischen Gremien bezeichneten die Finanzlage als „besorgniserregend“ und plädierten für sofortige, koordinierte Sanierungsmaßnahmen.
Der Vorstand von Landsberg erklärte in der Folge, man wolle einen umfassenden Restrukturierungsplan vorlegen. Als Gründe für die Krise wurden in erster Linie angeführt: stark gestiegene operative Kosten, zu optimistisch angesetzte Einnahmen, unzureichendes Finanzmanagement sowie eine Überschätzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klubs.
Die Krise traf nicht in einem Vakuum — Landsberg hatte in den Jahren zuvor beträchtlich öffentliche Mittel erhalten. In der Debatte im Stadtrat wurde bekannt, dass die Stadt über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 20 Millionen Złoty an den Klub überwiesen hatte. Also 4,72 Millionen Euro.

Doch selbst diese Zuwendungen reichten nicht aus, um den Klub langfristig zu stabilisieren. Als klar wurde, dass ohne externe Hilfen eine Lizenz für die oberste Liga gefährdet sei, wandte sich der Verein im Herbst 2025 erneut an die Kommunalpolitik:
Im Oktober 2025 beantragte Landsberg an die Stadtverordneten ein neues Rettungspaket: einen Konsolidierungskredit über 9 Millionen Złoty – 2,12 Millionen Euro.
Der Vorschlag sah vor, dass der Kredit teilweise durch private Anteilseigner und teilweise durch eine Bürgschaft der Stadt abgesichert werden sollte.
Tatsächlich wurde dieser Antrag im Herbst 2025 vom Stadtrat zum Teil angenommen: Das Gremium stimmte einem Kredit mit kommunaler Bürgschaft zu, wodurch Landsberg theoretisch die Lizenzvoraussetzungen für die Saison 2026 erfüllen konnte.
Laut offizieller Mitteilung des Klubs Ende Oktober 2025 seien alle für die Lizenz relevanten Verbindlichkeiten beglichen worden. Als Maßnahmen nannten die Verantwortlichen:
Verkauf von Aktien im Wert von insgesamt 3 Millionen Złoty an private Investoren, als 710.000 Euro.
eine Bürgschaft durch einen privaten Anteilseigner in Höhe von 2 Mio. Złoty, also 470.000 Euro.
sowie eine kommunale Bürgschaft in Höhe von 3,9 Millionen. PLN. Also 9,2 Millionen Euro.
Der Klub sieht darin den Grundstein für eine „Wiederbelebung und Entwicklung“ — sportlich wie organisatorisch.
Trotz dieser Rettungsaktionen bleibt die Situation prekär — auch weil die Einnahmeseite nach wie vor belastet ist: Für 2025 meldete der Klub Einnahmen von rund 17 Millionen Złoty, also 4,01 Millionen Euro, nach etwa 22 Millionen Złoty, also 5,19 Millionen Euro im Vorjahr. Der Rückgang sei laut internen Berichten auf eine geringere Stadionbesucherauslastung, weniger Sponsoren und ein schwächeres wirtschaftliches Umfeld zurückzuführen.
Damit verbessert sich zwar die kurzfristige Liquidität — die strukturellen Probleme bleiben jedoch bestehen: hohe Fixkosten, schwankende Einnahmen und eine auf Rettungspakete angewiesene Haushaltsführung.
Die Enthüllung der Schuldenlast löste im Stadtrat und in der Stadtgesellschaft heftige Diskussionen aus: Vertreter des Stadtrats forderten eine vollständige Offenlegung sämtlicher Ausgaben in den vergangenen Jahren — insbesondere, wie die etwa 20 Millionen Złoty, als 4,72 Millionen Euro, an städtischen Zuwendungen konkret verwendet worden seien.
Einige Stadträte warnten, dass weitere Bürgschaften oder Kredite ohne klare Perspektive Vorwürfe der „Niegospodarność“ (wirtschaftliche Fahrlässigkeit) nach sich ziehen könnten.
Viele Fans und Bürger äußerten Unmut: Einige sahen den Klub als unverzichtbaren Teil der regionalen Sporttradition — andere kritisierten, dass die Unterstützung öffentlicher Gelder an einen wirtschaftlich unsicheren Klub unverantwortlich sei.
Das Ergebnis der Rettungsbemühungen: Landsberg überlebte — zumindest formal. Die Lizenz für die Saison 2026 wurde gesichert.
Doch die Rettung ist vor allem eine akute Krisenbewältigung — nicht jedoch eine nachhaltige Sanierung:
Die Schuldenstruktur ist nur teilweise aufgelöst — viele Verbindlichkeiten wurden umgeschichtet, Kredite nachverhandelt oder durch Bürgschaften gedeckt. Die Abhängigkeit von externen Geldgebern bleibt hoch.
Die wirtschaftliche Basis bleibt fragil: Einnahmen sind rückläufig, Sponsoren meiden offenbar ein Risiko, und die öffentliche Hand hat bereits stark eingreifen müssen.
Der neue Vorstand kündigt Transparenz und Reformen an — ob diese zu echten, strukturellen Änderungen führen, bleibt unklar. Eine systematische Unterlassung früherer Fehler wäre nötig, um das Vertrauen von Fans, Stadt und Sponsoren dauerhaft zurückzugewinnen.
Landsberg bestätigt: Die Krise war real – und sehr ernst. Die Schuldenlast war enorm, die Ursachen: Kostenexplosion, falsche Einnahmeprognosen, schwaches Finanzmanagement.
Der Klub ist weiterhin überlebensfähig — dank einer Mischung aus kommunalen Bürgschaften, Privatinvestoren, Krediten und kurzfristigen Einsparungen. Doch gleichzeitig lebt er von außen: Wenn Sponsoren wegbrechen oder die Stadt neue Hilfen verweigert — könnte die Krise erneut aufflammen.
Für die Stadt und die Steuerzahler ist es eine Gratwanderung: Einerseits will man Tradition und Identität bewahren, andererseits wächst der öffentliche Druck für Transparenz und Verantwortlichkeit. Ohne klaren Plan droht das Ganze erneut zum finanziellen Risiko zu werden.
Für Fans und Interessierte: Die Rettung war vielleicht notwendig — eine Rückkehr zur Normalität ist das aber noch lange nicht. Der Klub steht vor der Herausforderung, nicht nur auf Abruf zu funktionieren, sondern wieder solide, langfristig tragfähig zu wirtschaften.
Der Fall Landsberg zeigt exemplarisch, wie schnell ein traditionsreicher Sportverein — trotz sportlicher Erfolge und großer Bedeutung für die Region — in eine existenzielle Krise geraten kann, wenn wirtschaftliche Realität und sportlicher Ehrgeiz aus dem Gleichgewicht geraten.
Das aktuelle Rettungsmodell — Kredite, Bürgschaften, Investoreneinstieg — verschafft Zeit. Aber Zeit ist nicht gleich Stabilität. Solange der Klub nicht sein Geschäftsmodell, seine Einnahmestruktur und seine Kosten nachhaltig neu organisiert, bleibt er auf wackeligen Beinen.
Wenn Landsberg langfristig bestehen will, braucht der Verein mehr als nur Finanzspritzen. Er braucht:
transparente Buchführung und Offenlegung aller Finanzflüsse,
realistische Budgetplanung — mit konservativen Einnahmeprognosen,
ein nachhaltiges Sponsoring- und Marketingkonzept, das nicht nur kurzfristige Lücken schließt,
und ein klares Commitment — von Vereinsführung, Stadt und Fans — auf Kontinuität und finanzielle Verantwortung.
Ohne diese Elemente droht, dass das aktuelle „überlebt, aber nicht geheilt“-Szenario in den kommenden Jahren erneut in eine Krise umschlägt.
Landsberg ist gerettet — aber nicht gesund.



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