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Geschichte wird gemacht

Wie ein junger Däne auf Lang- und Grasbahnen für Furore sorgt, warum Legende Erik Gundersen Samstag eigens deswegen nach Schwarme kommt und sich dort auch mit Egon Müller treffen wird.


Das Fahrerlager von Werlte wird auch zu einer lebendigen Geschichtsstunde. Denn am Samstag treffen sich zwei der größten Legenden, die Bahnsportgeschichte geschrieben, am Hümmlingring im Emsland: Sowohl Egon Müller als auch Erik Gundersen werden beim Halbfinale der Grasbahn-EM in Werlte vor Ort sein.


Gundersen hat dabei vor allem seinen persönlichen Schützling im Auge: Patrick Kruse. Der ist gerade mal 17 Jahre jung, fährt auch in der schwedischen zweiten Liga, der Allsvenskan, und natürlich in Dänemark Speedway – und gilt als das perspektivreichste Talent auf der Langbahn schlechthin.


Gundersen hat Kruse unter seine Fittiche genommen. Denn der Youngster ist für seinen routinierten Landsmann, der seit einem schweren Unfall in Bradford 1989 von seinem Elektrowägelchen aus das effektivste Nachwuchsförderprogramm für Kinder und Jugendliche der Welt aufgebaut hat, kennt ein neues Ziel: „Ich möchte dafür sorgen, dass wir auch auf der Langbahn wieder absolute dänische Spitzenfahrer sehen. Wir haben in Dänemark zwar nur eine einzige Langbahn, in Haderslev, aber dennoch sehe ich großes Potenzial für den Sport bei uns. Gerade für Speedwayfahrer, die im Speedway irgendwann nicht mehr weiterkommen, kann die Langbahn eine echte Alternative und Ergänzung sein. Da möchte ich mit unseren Land wieder hin.“

Rennwesten und Siegerkränze warten schon im Vereinsheim in der Hümmlingring-Arena. Foto: Norbert Ockenga
Rennwesten und Siegerkränze warten schon im Vereinsheim in der Hümmlingring-Arena. Foto: Norbert Ockenga

Patrick Kruse ist da nur das erste Rädchen im System – aber eines, das Gundersen hütet wie seinen Augapfel. „Er hat bei seinen bisherigen Langbahnrennen bewiesen, dass er das Zeug zur Weltspitze hat“, urteilt der legendäre Exweltmeister über Kruse. „Wir sind jetzt gerade in einer Phase, in der er das Gefühl für die Starts und die ersten Meter entwickeln muss – also fürs Hochschalten in den zweiten Gang. Da lernt er momentan bei jedem Rennen unheimlich viel dazu.“


Ich will innerhalb eines Jahres eine schlagkräftige Langbahntruppe stehen haben. – Erik Gundersen

Gundersen ist sicher: „Speedwayfahrer, die ihr Motorrad hart und aggressiv anpacken können, sind auch imstande, auf der Langbahn ganz vorn mitfahren zu können.“ An Jungtalent Kruse begeistern ihn nicht nur Grundschnelligkeit und Motorradbherrschung – sondern eine geradezu wikingerhafte Unerschrockenheit. „Im vergangenen Jahr ist er bei der U23-Team-WM in Vechta ziemlich übel gestürzt; so schlimm, dass ich im Fahrerlager schon befürchtet habe, er könnte einen Knacks davontragen. Aber er kam sofort zu uns und wollte sein Ersatzmotorrad vorbereitet haben. Er wollte nicht mal einsehen, dass er als Abbruchverursacher disqualifiziert war.“

Der dänische Shootingstar Patrick Kruse startet mit der Nummer 1. Foto: Norbert Ockenga
Der dänische Shootingstar Patrick Kruse startet mit der Nummer 1. Foto: Norbert Ockenga

Längst spürt der Jugendmentor in seiner Heimat eine Aufbruchsstimmung auf der Langbahn – getragen von Kenneth Kruse Hansen, den Gundersen höchstpersönlich auf den letzten Drücker auf die Nennliste des EM-Halbfinales in Werlte gehievt hat, und von Patrick Kruse. Vor allem der Youngster wirke wie ein Magnet, zeige vielen anderen Fahrern, was und vor allem wie schnell etwas auf der Langbahn möglich sei.


So zündet Gundersen denn Teil 2 seines Plans: Er möchte ein ähnlich effektives Nachwuchssichtungs- und -förderprogramm auflegen wie im Speedway. Der erste Gedanke: Dann dauert es aber doch sicher vier bis fünf Jahre, ehe sich erste Ergebnisse auf Weltebene zeitigen? Gundersen schnauft in den Hörer: „Nein, nein. Ich will das innerhalb von einem Jahr schaffen.“


So schnell solle es gehen, bis Dänemark eine schlagkräftige große Truppe auf der Langbahn zu stehen hätte; länger dürfe es in Gundersens Augen auf keinen Fall dauern.


Wer sich den Zeitstrahl im deutschen Bahnsport vors geistige Auge führt, kann sich bei solchen Einschätzungen nur umdrehen und bitterlich weinen.


Das ist schon sehenswert, was da am Sonnabend in Werlte läuft. – Egon Müller

Gundersen stammt aus derselben Epoche, in der auch Egon Müller ein Superstar der Szene war. Und auch der Kieler wird am Sonnabend in Werlte zu Gast sein. Denn er produziert inzwischen höchst erfolgreich Videos für YouTube und rührt eifriger die Werbetrommel für den Bahnsport als die Allermeisten hierzulande. In Werlte wird Müller nicht nur als Videograf, sondern auch als lebendige Attraktion vor Ort sein: Die Menge an Fans, die er immer noch begeistert, wird vielfach unterschätzt, doch tatsächlich ist der Exweltmeister eine Kultfigur mit eigener Magnetwirkung.


Zuletzt gefahren sei er auf dem Hümmlingring anno 1996, erinnert sich Müller. „Da brauchst du ein Riesenherz. Denn die Bahn war damals schwer zu fahren. Viele mochten sie überhaupt nicht. Damals waren aber auch die Trecker vom Bahndienst noch längst nicht so weit wie heute. Seinerzeit hatte der Verein einen Trecker mit 23 PS gestellt bekommen; wenn die Bahn zu tief wurde, ist der auch schon mal steckengeblieben. Das kann man mit den heutigen Verhältnissen nicht mehr vergleichen: Heute hat der Bahndienst Trecker mit 500 PS, die nageln da einfach drüber. Der Bahndienst in Werlte weiß genau, was er macht. Deswegen kriegen die selbst dann eine perfekte Bahn hin, wenn vorher noch das Wasser draufgestanden hat.“

Der charakteristische Zielrichterturm von Werlte trotzt noch der Ruhe vor dem Sturm. Foto: Norbert Ockenga
Der charakteristische Zielrichterturm von Werlte trotzt noch der Ruhe vor dem Sturm. Foto: Norbert Ockenga

Da Müller schon im Vorweg Vorschauen auf das EM-Halbfinale am Samstag veröffentlichte, hat der Schleswig-Holsteiner sich auch mit dem Sportlichen und der Besetzung des Fahrerfeldes genau befasst. Sein Urteil: „Das ist schon sehr sehenswert, was da am Sonnabend läuft.“


Nicht zuletzt der Auftritt vom jungen Dänen Patrick Kruse. In dessen Box wird die Nostalgie auf eine ganz besondere Art und Weise bemüht. „Ich habe ihm in mehreren Monaten Kleinarbeit ein eigenes Motorrad selbst aufgebaut“, verrät Förderer Erik Gundersen. „Da sind alle Bauteile vom Feinsten, weil die Technik auf der Lang- und Grasbahn so unheimlich wichtig ist. Und ich habe die Maschine extra in genau denselben Farben gehalten, wie ich meine Motorräder früher gefahren bin. Daraus habe ich mir extra einen kleinen Spaß gemacht.“



 
 
 

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