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Hier sprechen die Besten

Wie die drei Erstplatzierten den Grand Prix von Landshut analysieren.


Drei Mann, drei Emotionen – so unterschiedlich fällt die Reaktion nach dem WM-Auftakt in Landshut am Sonntagabend aus: nüchterne Analytik bei Bartosz Zmarzlik, trotzige Zufriedenheit bei Dan Bewley – und Tränen der Rührung bei Andrzejs Lebedews.


Zmarzlik erweist sich ein Mal mehr als Meister sowohl auf als auch neben dem Motorrad. Der 30-jährige Stettiner reagiert von allen Grand Prix-Teilnehmern am besten auf die Bahn der drei Gesichter, die den WM-Auftakt in Niederbayern kennzeichnen. In den ersten beiden Blöcken ist die Bahn mehr als nur üppig gewässert, gegen Mitte der Vorläufe sind beide Linien – innen wie außen – nutzbar, in den letzten eineinhalb Durchgängen wandert die griffige Spur immer weiter nach außen, gefährlich nahe an den Luftfangzaun heran.


Diese stetige Veränderung auf der ohnehin schon schnellen Landshuter Bahn und ihren langen Geraden macht eine stetige Anpassung der Maschine nötig. Die Übersetzung muss immer länger gemacht werden, es mussten also stetig kleinere Kettenblätter hinten eingebaut werden. Die Zahl der Zähne sinkt im Laufe des Abends auf knapp über 50. Gleichzeitig gilt es, die Motorcharakteristik so anzupassen, dass man trotz der hohen Endgeschwindigkeit die Maschine in den Drift querstellen kann – und nicht einfach nur vom permanent anschiebenden Motor zuerst über den Punkt des Anstellens drüberweg geschoben und dann in letzter Konsequenz von der fast noch geradeaus zeigenden Linie zwischen Vorder- und Hinterrad förmlich in den Airfence gezogen wird. Je schmaler das Band von griffigem Material wird und je weiter es nach außen wandert, desto heikler und wichtiger wird der zweite Teil des Abstimmungspuzzle.

Andrzejs Lebedews feiert seinen ersten Podestplatz. Foto: FIM
Andrzejs Lebedews feiert seinen ersten Podestplatz. Foto: FIM

Wer sich überhaupt noch auf den schmalen Grat traut, tappt dort leicht in die Falle der zu hohen Kurveneingangsgeschwindigkeit und des überschossenen Punkts zur Drifteinleitung. Mikkel Michelsen und Jason Doyle bauen deswegen rüde Bruchlandungen. Im Finale wäre Dan Bewley beim Versuch, ganz außen in den schmalen tiefen Belag zu wühlen, auch beinahe abgestiegen, weil er schon die Startkurve nur auf den letzten Drücker noch kriegt.


Bartosz Zmarzlik muss sich im Finale nur kurz gegen Dan Bewley zur Wehr setzen. Foto: FIM
Bartosz Zmarzlik muss sich im Finale nur kurz gegen Dan Bewley zur Wehr setzen. Foto: FIM

Während Zmarzlik sich der passenden Abstimmung sowohl nach den Freien Trainings als auch den ersten beiden Heats im Grand Prix ebenso sukzessive wie treffsicher nähert, verliert der anfangs dominierende Brady Kurtz bei den sich stetig ändernden Bedingungen seinen roten Faden und infolgedessen hinten raus auch seine Vormachtstellung. Nach einer Serie von Laufsiegen wird der Grand Prix-Neuling später geschlagen – und hat im Finale überhaupt keine Chance mehr.


Zmarzlik untermauert mit seinen sicheren Siegen sowohl nachmittäglichen Sprint als auch im Grand Prix-Finale seine Ausnahmestellung: als Fahrer, weil er die beste Linie zentimetergenau trifft, sich sogar einen Anlieger ans Kickboard auf der Gegengeraden zutraut und die Maschine dennoch unter Kontrolle gebändigt hält – und im Zusammenspiel mit seinem Team und Mechanikerstab auch als Techniker und Entwickler. Denn jeder Handgriff bei der Abstimmungsänderung sitzt. „Nach der Qualifikation war ich noch ein bisschen nervös, weil ich die Ausgangslage nicht einfach fand“, verweist er auf den Bannstrahl von der Startplatzwahl wegen eines zu lange dauernden Fernsehliveinterviews. „Aber vielleicht hat mir genau das am Ende das nötige Quäntchen zusätzlicher Motivation und Kraft verleihen. Ich bin glücklich, weil der Abend gut verlaufen ist. Das Training begann wirklich schlecht, aber dann habe wir einige Änderungen vorgenommen und die nötige Grundschnelligkeit gefunden.“


Ich fühle mich, als hätte ich gewonnen. – Andrzejs Lebedews

Dan Bewley ist im Finale für eine halbe Runde lang ein echter Gegner, weil er sich mit einem gewagten Manöver außen in Position setzt. „Mein Tag hat in der Qualifikation nicht gerade sonderlich gut begonnen“, bilanziert der Engländer. „Aber danach habe ich in den Vorläufen reichlich solide gepunktet und gegen Ende die richtigen Einstellungen am Motorrad verändert. Ich habe mich bei der Startplatzwahl für die Nummer 1 entschieden. Die mag eigentlich keiner. Aber ich habe heute an mich geglaubt; bei meiner Ausgangslage war das die beste Wahl.“


Dabei ist die 1 eigentlich verpönt, weil sie heißt: Man muss bei jedem Durchgang immer unmittelbar nach einem Bahndienst ran. „Das“, rekapituliert Bewley, „hat ja auch nicht so verkehrt funktioniert.“


Andrzejs Lebedews holt mit Platz 3 sein bestes WM-Ergebnis – und kriegt sich danach vor lauter Freude und Rührung gar nicht mehr ein, umarmt im Fernsehliveinterview seine „wunderschöne Frau“ und seine Töchter, den Verein Lokomotive Dünaburg und gleich die ganze Stadt Dünaburg. „Stück für Stück reiße ich die Wände ein“, sagt er schließlich. „Ich habe in jedem Lauf Punkte geholt. Ich hatte eine gute Startplatzwahl für den Hoffnungslauf. Da habe ich mich voll drauf konzentriert, deswegen den Hoffnungslauf gewonnen, bin so ins Finale gekommen – und habe schließlich meinen ersten Podestplatz erreicht. Ich fühle mich, als hätte ich gewonnen.“


 
 
 

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