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Ladies' Fight

Am Pfingstsonntag wartet auf Hannah Grunwald ihr bislang prestigeträchtigstes Rennen, seit die in der großen Halbliterklasse unterwegs ist. Und die gerade mal 17-Jährige aus Parchim gilt gleich als Favorit auf den Störtebeker-Superpokal in Norden – wenn man ihre Frühlings-Trainingstage im Motodrom Halbemond genau analysiert.


Die Stoppuhr lügt nicht. Als Hannah Grunwald Ende März im Motodrom Halbmond zwei Tage ins Training ging – da musste Meik Lüders glatt zwei Mal hingucken. „Ich habe einfach mitgestoppt, als sie gefahren ist“, staunt Lüders noch heute. „Und da ist sie ganz knapp an den Bahnrekord rangekommen. Das war schon der Wahnsinn.“


Den Bahnrekord im mächtigen Speedwaystadion unweit der Nordseeküste hält der Pole Marcin Nowak. Am Pfingstsonntag könnte der Bestwert von 17,16 Sekunden über eine fliegende Runde, den Nowak 2021 markierte, jetzt ins Wackeln geraten. Denn Hannah Grunwald tritt auch beim Störtebeker-Superpokal an. Und, beschreibt Lüders, „sie ist gierig“.


In der Zweiten Bundesliga ist Hannah Grunwald, hier mit ihrem Mechaniker Martin Kalmbach, eine der Leistungsträger bei den Hechten aus Teterow. Foto: Norbert Ockenga
In der Zweiten Bundesliga ist Hannah Grunwald, hier mit ihrem Mechaniker Martin Kalmbach, eine der Leistungsträger bei den Hechten aus Teterow. Foto: Norbert Ockenga

17 Jahre ist sie alt, hat die Mittlere Reife schon neben der Rennkarriere in der Halbliterklasse gemacht und wirft sich jetzt mit aller Macht in ihre Laufbahn. Die begann eher zufällig: Ihr Vater André Grunwald besuchte ein Rennen in der Heimatstadt Parchim, weil ein Arbeitskollege von ihm dort fuhr. Klein-Hannah wurde als Fünfjährige mit dem Versprechen auf Hüpfburg und Eisessen zum Mitkommen gelockt – und verguckte sich spontan in eine PW50, also ein Kindermotorrad, im Fahrerlager. Nach langem Gequengel kauft der Vater ihr ein Kindercrossmotorrad. Aber Motocross taugt ihr nicht. Christian Seliger, ein ehemaliger Jugendwart des MC Güstrow und der Hintermann hinter den Driftkids in Parchim, sieht, dass die Kleine im falschen Genre unterwegs ist – und bringt sie auf eine PW50, in seine Driftkidsstruktur und auf die Speedwaybahn in Parchim.


Dort liegt eine geschichtsträchtige, 690 Meter messende Langbahn, die schon zu DDR-Zeiten große Rennen gesehen hat. In deren Innenfeld sind zwei weitere Bahnen geschachtelt wie eine Matrjoschka-Puppe: eine Speedway- und eine Nachwuchsstrecke. Unter der Regie von Seliger hat Hannah Grunwald in Parchim in den Kinderklassen gewonnen – und ist 2020 in Danzig in der EM für 85-Kubikmaschinchen Europameister geworden.


Sie schnappt alles auf und setzt das sofort um. Das ist wirklich Wahnsinn. – Meik Lüders

Noch heute trainiert sie regelmäßig auf dem Mecklenburgring 40 Kilometer südöstlich von Schwerin. Und sorgt in der großen 500-Kubikklasse schon seit zwei knapp zwei Jahren für Furore: Sie fährt für Fjelsted in der Zweiten Division Dänemarks, schreibt da oft sogar zweistellige Punktezahlen, ist auch eine Leistungsträgerin in der Mannschaft von Teterow in der neuen Zweiten Bundesliga und in der Speedwayliga Nord für den MC Güstrow – und war zuletzt am Vatertag beim Oberkrämerpokal in Wolfslake bei Berlin beste Deutsche. Geschlechterübergreifend wohlgemerkt: Grunwald etabliert sich mehr und mehr als Deutschlands schnellste Dame im Sattel – die es auch mit den Jungs ihrer Generation aufnehmen kann.


Das weiß auch Lüders. Spätestens seit den Trainingstagen im Frühling, wo Lüders und André Pollehn sie unter ihre Fittiche genommen hatten. Pollehn kommt aus Glücksburg nördlich von Hamburg, war früher im Team des MC Norden in der deutschen Bundes- und Superliga unterwegs – aber auch ein Gegner der Ostfriesen mit dem MSC Brokstedt.


Hannah Grunwald ist nur schnell, sondern auch eine auffallend schnelle Lernlerin. Foto: Norbert Ockenga
Hannah Grunwald ist nur schnell, sondern auch eine auffallend schnelle Lernlerin. Foto: Norbert Ockenga

Im vergangenen Jahr hat der immer fröhliche Blondschopf aus Schleswig-Holstein sich von Lüders beibringen lassen, wie man mit jungen Fahrern systematisch trainiert – und engagiert sich inzwischen auch im Motodrom. Pollehn war auch beim ersten Training von Hannah Grundwald mit dabei. „Da hat André ihr das Starten erklärt. Denn der war ja selbst auch immer ein sehr guter Starter“, erinnert sich Lüders. „Sie hatte drei Tage gebucht; sie ist gierig. Sie hat alles aufgeschnappt und umgesetzt, was wir ihr erklärt haben. Auch von der Abstimmung beim Motorrad. Und wenn man gesagt hat, du musst so und so starten oder fahren – das hat sie das auch alles auf den Punkt gebracht“, erinnert sich Lüders. „Nach dem dritten Tag mit uns beiden hat sie gefragt, wann sie das nächste Mal kommen könnte – und kam 14 Tage später gleich weiter. Sie hat alles umgesetzt und hat das gleich gemacht. Sie ist wirklich ehrgeizig und will es unbedingt an die Spitze schaffen.“


Vor allem ihre Wissbegierde und Lernbereitschaft beeindruckt Lüders: „Sie schnappt alles auf. Ihr Vater hat uns Bilder geschickt, was sie allein vom bloßen Gucken schon umsetzt. Das ist wirklich Wahnsinn: Sie testet was und bringt das gleich auf den Punkt.“


Am Pfingstsonntag startet Hannah Grunwald – hier mit Mechaniker Lucas Botzon in Cloppenburg – beim Störtebeker-Superpokal im Motodrom Halbemond bei Norden. Foto: Norbert Ockenga
Am Pfingstsonntag startet Hannah Grunwald – hier mit Mechaniker Lucas Botzon in Cloppenburg – beim Störtebeker-Superpokal im Motodrom Halbemond bei Norden. Foto: Norbert Ockenga

Bei der zweiten Trainingssitzung im Motodrom Halbemond zückte Lüders die Stoppuhr. Und die blieb bei 17,29 Sekunden stehen. „Und sie war sauschnell“, strahlt Lüders. „Da habe ich ihr das Angebot gemacht, dass sie beim Störtebeker-Superpokal fahren kann. Da war sie happy – und kniet sich da voll rein. Jetzt am Wochenende hatte sie ein Liveinterview bei Radio Ostfriesland.“


Das absolvierte sie einen Tag nach einem weiteren Rennen mit Fjelsted, auswärts in Outrup. Und auch am Pfingstwochenende hat sie vorm Störtebeker-Superpokal ein volles Programm: Sie bestreitet am Abend vorher noch ein Einladungsrennen in Teterow – und reist dann über Nacht von Mecklenburg nach Ostfriesland.


Um dann in Norden nach dem bislang größten Erfolg ihrer jungen Jahre zu greifen – dem größten Pokal, den der deutsche Bahnsport zu bieten hat. Der Störtebeker-Superpokal ist um einen knappen Meter größer als sie, präzise nachgemessen: Er überragt die zierliche Parchimerin um 84 Zentimeter.


Der Bahnrekord und der Riesenpokal sind für Grunwald dieses Jahr aber auch nur Beifang: Ihre großen Ziele der Saison sind noch höher gesteckt – die Deutsche Juniorenmeisterschaft für U21-Jährige am 28. Juni in Wolfslake und vor allem die Women’s Trophy in Goričan in Kroatien. Diese inoffizielle Damen-WM ging im Vorjahr an Celina Liebmann aus Albaching in Bayern. Auf der ehemaligen Grand Prix-Bahn im Osten strebt Grunwald am 12. Juli die innerdeutsche wie internationale Wachablösung an.



 
 
 

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