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„Rastede bringt richtig Spaß“

Am Sonntag lädt die schnellste Grasbahn der Welt zu einem Festival of Speed in einem malerischen Schlosspark. Stephan Katt erklärt, was in Rastede zu erwarten steht.


Stephan Katt muss schon am Donnerstag erstmal schlucken. „Am Ende der Gegengeraden“, rechnet der Langbahnkultfahrer vor, „bist du bei fast 180 Klamotten.“ Denn Rastede hat die schnellste Grasbahn der Welt. Kelvin Tatum hält auf der langen Piste im Schlosspark den Bahnrekord: 143,255 km/h über die fliegende Runde, rausgeprügelt anno 2004. Seitdem beißen sich alljährlich die schnellsten Drei des Trainings bei extra ausgefahrenen Bahnrekordversuch an diesem Fabelwert die Zähne aus.


Am Sonntag ist es wieder Zeit für einen Angriff auf die Tatum’sche Bestmarke. Ein elitäres Feld trifft sich in „Raa-ste-dè“, wie man den Ortsnamen auf gut oldenburgisch richtig ausspricht, also tunlichst ohne „sch“, sondern mit „s-t“. Sowohl bei den Solisten als auch bei den Seitenwagen. Katt ist nur einer der Favoriten auf der ultraschnellen Bahn im Park jenes Schlosses, das einst ein Kloster war und das die Herzöge von Oldenburg im 18. Jahrhundert als Sommerresidenz umbauten.


Andrew Appleton und Stephan Katt sind Stammgäste in Rastede. Foto: Rudi Hagen
Andrew Appleton und Stephan Katt sind Stammgäste in Rastede. Foto: Rudi Hagen

Das Schloss samt Park ist noch heute im Besitz derer von Oldenburg – und ein Mekka für Veranstaltung, auch für Motorsport. Bei den Vintage Race Days etwa treffen sich alljährlich Besitzer von Vorkriegs-Bentley aus der damalige Grand Prix-Szene und von den 24 Stunden von Le Mans zu Gleichmäßigkeitsprüfungen auf der Grasbahn. Die Bentley Blower und Co. im British Racing Green verpassen dem Schlosspark auf jeder Runde leichte Erdbeben, aber ihre Sollzeiten bei den GLP sind so langsam, dass man ihnen zwar bewundernd, aber auch eine Spur mitleidsvoll zuguckt.


Rastede ist immer eine Reise wert. – Stephan Katt

Erst recht, wenn man seit Jungjournalistentagen das Tempo der Biker auf der Grasbahn gewohnt ist, wenn man also den direkten Vergleich kennt und weiß, was 25 Kilometer von Oldenburg und unweit der Nordseeküste für eine Tempoorgie möglich ist. Und das Schönste ist: Für die Fahrer ist Rastede genau so eine Schau wie für die Zuschauer. Katt nimmt Euch mit auf den Sozius seiner Langbahnmaschine: „Wir fahren die Startgerade hoch. Dann geht’s relativ weitläufig in die erste Kurve rein. Die macht aber spitz zu. Es ist oben recht feucht wegen der Bäume, die da stehen; da gibt’s einen Bereich mit wenig Sonne, da trocknet die Bahn wenig ab. Dann geht’s die Gegengerade runter und spitz rein in die Fahrerlagerkurve, die sich auch langzieht. Danach geht es bergauf – und da muss man genau an der Griffkante fahren. Man kann innen fahren; das ist der kürzeste Weg. Wenn man die Griffkante nutzt, fahren wir einige Meter länger. Innen hast du die Löcher, außen ein bisschen ruhiger. Da muss man agieren, wo der Gegner ist – ob man innen reinsticht oder nicht.“


Die Tempobolzerei und das Layout der Bahn hat einen Vorteil: „In Rastede kann man auf beiden Geraden die Arme hängen lassen, durchschnaufen und sich auf die nächste Kurve konzentrieren. Was du in der vorvergangenen Woche in Schwarme oder Werlte nicht machen konntest; da bist du dauerhaft unter Strom. Rastede ist da ein wenig gemütlicher auf den Geraden – aber sehr anstrengend in den Kurven, denn da reißt es auch.“ Und „Rastede ist eine Naturbahn auf Mutterboden. Sie lässt sich gut fahren. Aber zum Ende des Rennens kommen einige Löcher rein.“


Markus Brandhofer und Manuel Meier sind auch diesen Sonntag im Schlosspark dabei. Foto: Rudi Hagen
Markus Brandhofer und Manuel Meier sind auch diesen Sonntag im Schlosspark dabei. Foto: Rudi Hagen

In anderen Motorsportsparten ist es üblich, bei solch’ extremen Geschwindigkeiten auch mit radikalen Abstimmungen um die Ecke zu kommen. Nicht so für das Grasbahnrennen im Nordwesten: „Viele werden lachen“, schmunzelt Katt. „Aber ich fahre auf allen Bahnen die gleichen Motoren. Ich fahre das, was ich auch am Samstagabend in Bad Hersfeld fahren werde. Ich gehe davon aus, dass ich das Motorrad auch auf der Bahn am Sonntag, die 600 Meter länger ist, auch verwenden werde. Ich werde lediglich die Übersetzung ändern und vielleicht – je nachdem, wie das Wetter ist – die Bedüsung. Den ersten Gang werde ich auf jeden Fall ändern.“


In Bad Hersfeld steigt am Sonnabend die Deutsche Seitenwagenmeisterschaft, im Rahmenprogramm der Deutsche Bahnpokal für Nachwuchsfahrer mit B-Lizenz – und ein offenes Einladungsrennen für Internationale. Ein Großteil des Feldes vom Bad Hersfeld Flutlichtrennen fährt noch in der Nacht hoch ins Ammerland: Katt, aber auch Jörg Kebbel Mario Niedermeier, Fabian Wachs, die beiden Engländer Andrew Appleton und Paul Cooper etwa oder der Niederländer Williams Kruit. In Rastede bereichern die beiden Top-Dänen Kenneth Kruse Hansen und Patrick Kruse das Feld. Das Fahrerlager der Seitenwagen wirkt fast wie eine Miniausgabe des EM-Finales: Die Gebrüder Josh und Scott Goodwin, die gerade am vergangenen Wochenende das British Masters gewonnen haben, treffen auch Mitch Godden/Paul Smith, bislang bei allen deutschen Einladungsrennen eine Macht – und auf Manuel Meier/Lena Siebert, Raphael San Milan/Benedikt Zapf und Markus Brandhofer/Sandra Mollema, also fast die versammelte deutsche Gespannelite.


Katt versichert: „Rastede ist immer eine Reise wert. Ich freu’ mich drauf. Es bringt mir Spaß, da zu fahren. Es ist eine absolut hohe Geschwindigkeit – und die Kurveneingänge erfordern Mumm.“


Die besondere Lage der Grasbahn im Schlosspark stellt den Veranstalter, den Rasteder AC, vor besondere Herausforderungen. „Ich habe in den letzten Tage Videos gesehen, wie die Helfer des Vereins da 1.200 Meter Bande aufstellen. Jede Platte wird einzeln reingesetzt, es werden Pfosten aufgestellt. Was die sich für eine Mühe machen – das ist irre.“


Das erklärt auch den Stoßseufzer der Zweiten Vorsitzenden am Telefon am Mittwoch, bei einem Anruf direkt von der Rennbahn. „Die Planke“, vermeldete Heidi Nowak da stolz in den Hörer, „steht schon mal. Wir sind jetzt jeden Tag auf der Bahn am Arbeiten.“ Die Piste präsentiere sich aber wegen des Wetters der vergangenen Wochen in bestem Zustand. „Es hat in den Tagen zuvor immer mal wieder zwischendurch geregnet, wie in ganz Norddeutschland“, berichtet Nowak. „Das ist genau das, was die Bahn braucht, um richtig gut dazuliegen.“


Der Rasteder AC rechnet mit 4.000 bis 5.000 Zuschauern. Das Programm geht bereits am Samstag mit Rennen der Historischen Langbahneuropameisterschaft mit alten Zwei- und Vierventilern los. Die Fahrer des Hauptrennens, die schon da sind, können sonnabends auch bereits trainieren – und werden abends bei einer Rennfete im Festzelt von Bahnsprecher Lars Klimek vorgestellt und interviewt.


Die meisten sind dann freilich noch unterwegs beim Flutlichtrennen Bad Hersfeld – oder, im Falle der Zuschauer, auch beim Abendrennen des MSC Moorwinkelsdamm. Beim Nachbarverein der Rasteder geht’s am Samstagabend um die Speedwayliga Nord – sodass der hohe Norden an diesem Wochenende mit einem motorsportlichen Doppelpack vom Allerfeinsten lockt.


 
 
 

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