So funktioniert die Flexi-Bande
- Norbert Ockenga
- vor 8 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Neben dem Airfence gibt es eine zweite Vorrichtung zur Steigerung der passiven Sicherheit an der Bahn.
Es ist der Dienstag vorm großen Renntag, und der Bürgermeister höchstpersönlich gibt sich die Ehre. Daniel Thele schaut in der Mittagspause kurz in der Hümmlingring-Arena zu Werlte vorbei – und staunt über das wuselige Treiben auf und neben der gut 500 Meter langen Grasbahn, auf der am Samstagabend das zweite EM-Halbfinale stattfinden wird. „Das eigentlich Erstaunliche an dem ganzen Engagement ist, wie viele hier aus reiner Begeisterung ehrenamtlich mitarbeiten“, notiert Bürgermeister Thele. „In einem Fußballverein stammen die meisten Ehrenämter aus der direkten Familie – meistens Eltern oder Onkel und Tante der Kinder und Jugendlichen, die im Verein spielen. Beim MSC Werlte ist die Struktur der Ehrenämter eine völlig andere: Da engagieren sich die Leute aus reiner Liebe zum Sport – und nicht aus familiären Gründen und Notwendigkeiten.“
Das Grasbahnrennen ist die wichtigste überregionale Veranstaltung für Werlte. – Bürgermeiser Daniel Thele
Der Motorsportklub aus dem Emsland ist dabei ein Paradebeispiel für Zusammenhalt und Fleiß – aber auch dafür, dass es stets eine Führungsfigur geben muss, die mit gutem Beispiel, Mumm und Schwung vorangeht und alle Anderen mitnehmen kann. Josef „Jupp“ Hukelmann ist der Chef im Hümmlingring, Sohn Hendrik und Tochter Linda arbeiten ebenso mit wie Angestellte seiner Motorradhandlung, des Moto Center Werlte – aber auch andere Vereinsmitglieder.
So ist in Werlte für das EM-Rennen am Samstagabend eine ganz neue Anhöhe für Rollstuhlfahrer entstanden. Die behindertengerechte Stellfläche für Rollstuhlfahrer, die über flache Rampe erreicht werden kann, ragt außen neben der Einfahrt in die erste Kurve der Grasbahn so weit in die Höhe, dass die Rollstuhlfahrer über die Köpfe der Zuschauer auf der eigentlichen Naturtribüne hinweg freie Sicht auf die Bahn haben. „Inklusion ist wichtig“, betont Josef Hukelmann. „Da hat man früher nicht drüber nachgedacht. Aber heutzutage ist das ein Thema, das man nicht unterschätzen darf. Deswegen war uns diese neue Tribüne auch so wichtig.“

Genauso wie ein Sicherheitsfeature, das inzwischen bei allen Prädikatsläufen ohnehin vorgeschrieben ist: eine bewegliche Bande. Die muss in den Tagen vor dem Rennen montiert werden, in mühevoller Mimikry-Handarbeit.
Denn es reicht inzwischen nicht mehr, nur die Airfences aufzustellen und aufzublasen. Wenn der Luftfangzaun endet, muss noch eine 20 Meter lange Strecke mit beweglichen Banden folgen: Schlägt ein Fahrer dort ein, muss die Streckenbegrenzung nachgeben und nach hinten umklappen können. Erst längst der Geraden darf die Bande wie üblich aus Holz mit festen Pfählen stehen.
Die bewegliche Bande ist eine Doppelkonstruktion: Die eigentlichen Stangen der Bande sind auf Bodenhöhe abgesägt und bieten so keinen stützenden Halt mehr. Hinter ihnen, etwa 10 Zentimeter entfernt, steht ein zweiter Metallpfahl – reingesteckt in ein tief gegossenes Betonfundament. Die beiden Metallstengel werden mit Kartreifen dazwischen abgepuffert, die ihrerseits mit Kabelbindern an den Pfählen festgezurrt werden.
So gibt die eigentliche Bande bei einem Aufprall nach, weil ihre erste Befestigungsstange frei über dem Boden schwebt und Spiel hat. Die zweite Metallstange kann, wenn die Reifen einen Teil der Energie absorbiert haben, nach hinten wegknicken und die Restaufprallenergie sanft statt brutal auf einen Plutz abbauen. Knickt sie dabei ab, wird sie einfach aus dem Loch im Fundament geholt und durch eine neue Metallstange ersetzt.

Diese bewegliche Bande ist Pflicht auf den ersten 20 Metern nach dem Ende des Airfence. „Wir haben sie sogar auf 25 Meter ausgeweitet“, verrät Hukelmann. Der Aufbau am Ende einer jeden Kurve samt Erd- und Flexarbeiten, Fundamentieren, Reifen einziehen und Anbau der Bande dauert 15 Tage. Der Aufbau des Luftfangzauns, der in Segmenten geliefert wird, noch mal vier weitere.

Der Bürgermeister nimmt solche Mühe wohlwollend zur Kenntnis, schließlich ist Politiker Daniel Thele selbst Sohn eines B-Lizenzfahrers und früher auf dem Tank von Papas Viertellitermaschine als Dreikäsehoch mitgefahren. Es handelt sich um exakt dasselbe Motorrad, mit dem später Jupp Hukelmann seine ersten Rennen gefahren hat – als Grundausbildung vor dem Wechsel ins Funktionärsfach.
Thele ist dankbar für das Engagement des MSC Werlte. „Die Rennen auf der Grasbahn sind die größte überregionale Veranstaltung unserer Stadt“, ordnet der Bürgermeister ein. „Deswegen sind sie unheimlich wichtig für Werlte: Der Name unserer Stadt ist in weiten Teilen des Landes in aller Munde – und man merkt, dass die Innenstadt an diesen Tagen voll ist vor Gästen von außerhalb.“
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