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Weise Worte des Wunderknaben

Daniel Spiller ist die große Überraschung der ersten Jahreshälfte auf der Langbahn. Der 27-Jährige aus Bayern erläutert im großen Interview, wieso er lieber Langbahn statt Speedway fährt und wo er sich noch steigern kann.


Du bist bei der Deutschen Langbahnmeisterschaft in Schwarme Zweiter geworden. Wie ist das Rennen aus Deiner Sicht verlaufen?

Daniel Spiller: Schwarme war eine megageile Veranstaltung. Was der Verein da auf die Beine gestellt hat, war Weltklasse. Ich war mir im Vorfeld nicht sicher, was ich von der neuen Bahn halten soll. Ich wusste, dass ich auf der kleineren schnell war. Aber die größere Bahn hat mir im Nachhinein doch besser gefallen. Sie braucht etwas mehr Kraft – ist aber auch schneller und macht fahrerisch mehr Spaß. Meine Starts waren nicht gut genug. Und ich hatte im zweiten Lauf Wasser in der Brille; da hatte ich vorher Regen innen reingekriegt. Die Brille ist daraufhin beschlagen, und das hat sich in kleine Tropfen verwandelt. Normaler Weise ist das Beschlagen in der ersten Kurve weg. Aber wenn schon Kondenswasser drinsteht, geht das nicht mehr weg. Deswegen fehlte mir im zweiten Lauf der rechte Durchblick, um noch zu attackieren. Und im Finallauf ist mir eine Speiche gebrochen; die ist in die Kette geraten, hat sich zwischen Kette und Ritzel eingeklemmt und die Kette so heruntergehebelt. Der Ausfall im Finale tut mir weh, weil ich den Fight mit Stephan Katt gern zu Ende erlebt hätte. Wir waren nebeneinander, als der Ausfall kam. Ich hatte von außen den Schwung, nachdem ich vorher außen und er innen an Charley Powell vorbeigefahren war. Das wäre interessant gewesen, wie das ausgeht. Aber generell kann ich mit dem zweiten Platz zufrieden sein.


Du bist auch bei internationalen Langbahnrennen die Entdeckung des Jahres – sei es in der WM oder bei stark besetzten Veranstaltungen wie etwa in Tschechien.

Daniel Spiller: (Lacht.) Vielen Dank. Ich weiß prinzipiell, dass ich auf der Langbahn zu Vielem in der Lage bin. Das habe ich im vergangenen Jahr unter anderem beim Challenge in Mühldorf bewiesen, aber auch bei verschiedenen offenen Rennen. Doch als Vollzeitfahrer im Grand Prix-Zirkus dabei zu sein, ist noch mal was Anderes. Ich hatte mir für jeden einzelnen Grand Prix ein Ziel gesteckt. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es gleich in Mühldorf schon so gut laufen würde.


Daniel Spiller hat sowohl bei der Offenen Tschechischen Meisterschaft in Marienbad als auch beim WM-Auftakt in Mühldorf auf der Langbahn überrascht. Platz 2 bei der DM in Schwarme am Sonntag war dann folgerichtig auch schon keine Sensation mehr. Foto: FIM
Daniel Spiller hat sowohl bei der Offenen Tschechischen Meisterschaft in Marienbad als auch beim WM-Auftakt in Mühldorf auf der Langbahn überrascht. Platz 2 bei der DM in Schwarme am Sonntag war dann folgerichtig auch schon keine Sensation mehr. Foto: FIM

Was sind das für Ziele?

Daniel Spiller: Die behalte ich noch für mich. Ich hatte mir keine übertriebenen Ziele gesetzt. Die Top 4 aus dem Vorjahr haben sich komplett abgesetzt, die waren eine Nummer für sich. Aber von allen letztjährigen Teilnehmern hatten wir schon acht Fahrer, die unter den Top 6 mitmischen. Und dann noch Erik Riss dazu – waren neun, die echt eine Hausnummer sind. Da nimmt man sich als Neuling nichts Unrealistisches vor, sondern geht schon mit dem nötigen Respekt an die Aufgabe heran. In Mühldorf lief es besser als erwartet, in Marmande dagegen bin ich nicht so gut zurechtgekommen wie erhofft.


Was ist da schiefgelaufen?

Daniel Spiller: Ich hatte vor Marmande eh’ keine hohen Erwartungen. Da hatte ich mir nicht viel vorgenommen, weil ich noch nie da war und von allen Fahrern gehört hatte, wie besonders die Bahn zu fahren sei. Die ist mit ihren drei Kurven in der Tat sehr anders – es ist eine Grasbahn, die sich sehr dolle wie eine Speedwaybahn fahren lässt. Man muss außen fahren, was gerade zwischen der ersten und zweiten Kurve nicht einfach ist. Da ist man auf der kurzen Gerade mit dem Dirtdeflector bis auf einen Millimeter weit an die Bande ran. Das muss man sich erstmal trauen. Grasbahnen waren für mich schon immer das Schwierigste, weil ich vom Speedway komme. Da liegen mir Bahnen wie Aduard, Eenrum oder Schwarme, die vom Untergrund her eher wie Speedway zu fahren sind, eher als so spezielle Bahnen wie Marmande, auf denen man zwar in den Kurven bis an die Bande ran muss – aber auf einem völlig anderen und für mich nur schwer einzuschätzenden Boden. Da fehlt mir die Erfahrung.


Speedway fährst Du inzwischen gar nicht mehr?

Daniel Spiller: Speedway fahre ich, wenn’s reinpasst und die Rahmenbedingungen passen. Ich bin den Ländervergleich in Herxheim gefahren. Ich hatte auch die eine oder andere Anfrage – sei es für einen Ganzjahresvertrag oder einzelne Rennen. Aber es ist terminlich schwierig. Denn mein Fokus liegt auf der Langbahn. Speedway ist nicht verkehrt, um am Anfang des Jahres Fahrpraxis zu kriegen. Im Juni und Juli ist aber beinahe an jedem Wochenende ein Lang- oder Grasbahnrennen. Wenn ich da ein freies Wochenende dazwischen habe, muss ich das nicht auch noch auf einer Speedwaybahn verbringen – sondern kann das besser zur Regeneration nutzen.

Daniel Spiller bietet in seiner ersten vollen WM-Saison auf der Langbahn sogar schon Stars wie Chris Harris Paroli – so wie hier beim ersten Grand Prix in Mühldorf. Foto: FIM
Daniel Spiller bietet in seiner ersten vollen WM-Saison auf der Langbahn sogar schon Stars wie Chris Harris Paroli – so wie hier beim ersten Grand Prix in Mühldorf. Foto: FIM

Warum gibst Du der Langbahn den Vorzug?

Daniel Spiller: Mir macht das mehr Spaß. Ich habe zu Corona ein bisschen Langbahn trainiert, nachdem ich das kurz vor Corona zum ersten Mal in Herxheim probiert hatte. Wenn du wirklich Speedway fahren willst, musst du irgendwann entscheiden, ob du es professionell betreiben willst. Das hatte ich schon früh abhakt: Ich hatte seit 2013 jedes Jahr ein Angebot aus England. Aber ich habe mich auf die Schule und das Studium des Internationales Wirtschaftsingenieurwesens konzentriert, weil ich ein sicheres Einkommen wollte.


Selbst Angebote aus England haben Dich nicht reizen können? Wo Du doch de facto ein halber Engländer bist?

Daniel Spiller: Ich habe beide Staatsbürgerschaften – die deutsche und die englische. Ich war vier Jahre, als wir hergezogen wird. Damals hatte mein Vater hier ein Jobangebot, darum kamen wir nach Bayern. Wir reden zuhause auch nur Englisch. Mein Ziel am Anfang war schon, Profi zu werden. Ich war 2015 auch für Eastbourne unterwegs – bis zu den Sommerferien von der 10. auf die 11. Klasse. Ich wollte mich aber aufs Abitur konzentrieren, ehe ich es mit einer Profikarriere probiere. Dann war ich mit dem Studium fertig. Doch schon während des Studiums 2017 hatte ich mir in Slowenien ein Handgelenk gebrochen. Da habe ih mir gedacht: „Wenn ich jetzt Profi wäre, hätte ich ein halbes Jahr kein Einkommen.“ Dieser Gedanke hat mich abgeschreckt. Wenig später kam auch noch Corona, wo viele Fahrer aufgehört haben, die vorher sehr stark unterwegs waren. Da habe ich gesagt: „Ich möchte das Risiko nicht eingehen.“ Wenn man in Polen und England unterwegs sein möchte, muss man zuerst eine sechsstellige Summe in die Hand nehmen: Man braucht in beiden Ländern zwei Motorräder, einen Transporter, eigene Mechaniker. Diese Investitionen muss man erst wieder reinkriegen.


Also im Prinzip eine deutsche Karriere wie bei so vielen anderen jungen Speedwayfahrern auch: Rennen fahren ja – aber nur als Hobby, und das Wagnis Profitum nicht eingehen.

Daniel Spiller: Uns geht’s in Deutschland zu gut. Wir legen zu viel Wert auf Absicherung, und wir haben dazu auch zu gute Chancen. Wenn man nach Polen oder Tschechien schaut: Die haben Profisportlerschulen, auch für den Bahnsport. Die jungen Sportler kommen nach der Schule an die Bahn, hocken sich aufs Motorrad und fahren – oder lernen, wie man an den Motorrädern schraubt. Da wird es ganz anders aufgezogen als bei uns. In Polen ist auch die finanzielle Situation anders. Da kannst du früh anfangen, dich in einer Ein- oder Aufsteigerliga testen – und nebenbei die Schule machen. Bei uns haben Schule und Ausbildung zuerst Vorrang und nehmen auch mehr Zeit in Anspruch. Mit 21 oder 22 Jahren ist es aber zu spät, um eine Speedwayprofikarriere einzuschlagen. Du musst mit 16 oder 17 auf dem Niveau sein wie ein Norick Blödorn. Der ist ein Naturtalent; der ist nicht ohne Grund da unterwegs, wo er jetzt ist – weil er alles auf die Karte „Profitum“ gesetzt, und das schon früh genug.


Und auf der Langbahn kann man als Amateur an der Weltspitze mitmischen?

Daniel Spiller: Für die Langbahn braucht man ein paar Urlaubstage, die der Arbeitgeber genehmigen muss. Aber du musst nicht vier Tage in der Woche auf dem Motorrad sitzen, wie es im Speedway unerlässlich ist.


Hast Du für die Saison 2025, Deine erste als Fixstarter in der Langbahn-WM, etwas an Deiner Logistik geändert?

Daniel Spiller: Mein Umzug nach Nürnberg hat die Situation verändert. Ich bin inzwischen Supervisor und Stellvertretender Niederlassungsleiter bei einem großen Versanddienstleister in Nürnberg. Meine Maschinen stehen bei meinen Eltern in der Nähe von Landshut. Dort kümmert sich unter der Woche mein Vater um die Motorräder, meine Mutter hilft bei der Verwaltungsarbeit. Nach vielen Rennen versuchen wir, noch am Abend die Motorräder fertig zu machen. Nach Schwarme etwa hatte ich am Montag Urlaub, weil natürlich recht spät aus Norddeutschland wieder in Bayern waren. Wir haben auch an den Motorrädern selbst für diese Saison ein bisschen was verändert, damit ich mit den Besten mithalten kann. Wir haben ein zusätzliches Grasbahnmotorrad aufgebaut, damit wir bei den Wechseln von Sand- zu Grasbahn nicht dauernd was umbauen müssen. Wir haben jetzt je zwei Sand- und Grasbahnmaschinen. Denn ein Motorrad für die Grasbahn steht bei meinem Fahrstil doch recht anders da: Das geht über die Federung bis hin zum Rahmen. Das war harte Arbeit über die Jahre, diese Erfahrungswerte und Eckdaten herauszufahren. Und ich habe mich im Winter auch selbst anders vorbereitet – mit mehr Sport und festen Routinen.


Und jetzt hast Du den Sommer über einen vollen Terminplan?

Daniel Spiller: Ja, ich habe bis zum 6. September jedes Wochenende ein Rennen: Melsungen, Bad Hersfeld, Nandlstand und Hertingen.


 
 
 

1 Comment


Jack Leipsch
Jack Leipsch
vor 10 Stunden

Danke für das ausführliche Interview den beiden Herren Spiller und Ockenga.

Bitte mehr davon in dieser Richtung und Danke für die spannenden Berichte und auch Fahrer Interviews-Bin echt begeistert und hebt somit den Bahnsport in ein gutes Licht👍

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