Brexit-Spätfolgen
- Norbert Ockenga
- vor 1 Tag
- 4 Min. Lesezeit
Warum Norick Blödorn in Stralsund wirklich scheiterte und wie's in Debrecen bei der SGP2-Qualifikation besser laufen soll.
Das Schöne an Norick Blödorn ist, dass er aufgrund seiner langen Zeit in Manchester auch den zynischen englischen Humor versteht – und über sich selbst lachen kann. Und das kann im Umgang mit manchen Dialogen nicht schaden – etwa wenn die Rede auf die U21-WM-Qualifikation in Debrecen kommt, die am Samstag stattfindet.
Dort ist der gerade 21 Gewordene neben Patrick Hyjek einer von zwei Deutschen, die noch die nächste Stufe des internationalen Parketts erreichen können. „Das Ziel muss natürlich die Qualifikation sein“, kündigt Blödorn an.
Das schreit vor dem Hintergrund seiner bisherigen internationalen Ergebnisse in diesem Jahr nach der Antwort: „Ausnahmsweise also.“
Die meisten Deutschen hätten nach so einem Konter eine Flunsch gezogen und sich weggedreht. Doch Blödorn versteht die Flapsigkeit des Reporters richtig – und lacht in den Hörer: „Dankeschön.“
Debrecen ist dieses Jahr ein heißes Pflaster. Nicht nur wegen der Konkurrenz, in der sich immerhin Hochkaräter wie Adam Bubba Bednář, Nasar Parnitsky, Bastian Pedersen, Jesper Knudsen, Casper Henriksson und der ehemalige Jugendweltmeister Rasmus Karlsson finden. Sondern auch buchstäblich. „Der Wetterbericht sagt Temperaturen von bis zu 33 Grad voraus“, weiß Blödorn. „So heiß war’s in diesem Jahr noch nirgends, wo ich gefahren bin. Da wird’s nicht ganz einfach, ein passendes Setup zu finden.“
Und das, wo es genau daran zuletzt international gehapert hat. Bei der EM-Zwischenrunde in Stralsund scheiterte der Norddeutsche, weil die Konkurrenz ihm im Verlauf der Rennen regelmäßig die entscheidenden Meter klauen konnte. Blödorn war an der Ostsee nie der Überholer, sonder meist der Überholte. „Das war mein bislang schlechtestes Rennen in diesem Jahr“, bekennt er. „Wir hatten allerdings auch Probleme mit dem Motor in der Maschine, mit der ich gestartet bin.“ Dessen Revision sei überfällig gewesen, seit mindestens 10 Heats: „In der Regel gebe ich meine Motoren etwa nach 50 Heats zurück zu meinem Tuner Peter Johns. Dieser hier hatte aber schon 60 Läufe drauf. Denn es gibt momentan ziemlich Probleme, die Motoren in England zum Tuner zu kriegen. Nicht nur bei mir – ich habe auch schon von anderen Fahrern gehört, deren Motoren am Flughafen im Zoll hängengeblieben sind.“
In der Tat: Brexit sei Dank – die Logistik im Motorsport hat sich deutlich verkompliziert. Selbst die großen Formel 1- und Sportwagenteams, die im „Motorsports Valley“ rund um Silverstone sitzen, müssen bis zu 150 Seiten dicke Zollerklärungen, sogenannte Carnets, ausfüllen, um ihre Sattelschlepper auf die Fähren zu den Europarennen zu kriegen. Manche Teams aus der florierenden Szene des Historischen Motorsports verzichten deswegen sogar schon auf Starts etwa beim Hockenheim Historic, weil ihnen der Verwaltungsaufwand zu hoch ist. Der Gruppe C-Supercup musste deswegen dieses Jahr aussetzen – die englischen Rennställe aus der Histo-Gruppe C ließen sich von der Bürokratie vergraulen.
Mit dem Kapitel EM hatte ich nach Stralsund eigentlich schon abgeschlossen. – Norick Blödorn
Auch die Arbeitsvisa, die Speedwayfahrer brauchen, wenn sie in den englischen Ligen fahren möchten, und allein schon die Einreiseformalitäten haben sich verkompliziert. Und die Zollmaleschen für die Rücksendung der Motoren zu den englischen Tunern werden gerade jetzt offenbar: Die ersten turnusgemäßen Inspektionen stehen für alle Nicht-Grand Prix-Fahrer in diesen Wochen an. Nur die WM-Stars hätten schon früher damit zu schaffen gehabt – sie geben ihre Motoren in der Regel schon nach 20 Heats zur Revision.
Blödorn verrät: „Ich habe in Deutschland einige Motorräder stehen. Eines davon schone ich für die polnische Liga oder jetzt für Debrecen. In Stralsund hatte ich eine Maschine im Einsatz, mit der ich in Polen bereits öfter gefahren bin. Da hat man bei dem alten Motor schon gemerkt, dass der Ventildruck nicht mehr optimal war. Vielleicht hätte ich schon eher auf die Ersatzmaschine umsteigen sollen.“

Den Schritt ging er im Paul-Greifzu-Stadion allerdings erst zu seinem letzten Lauf. Da war der Qualifikationszug schon abgefahren. „Und ich hatte sowieso nicht die optimalen Startplätze. Im Prinzip haben an dem Tag nur die inneren funktioniert. Deswegen hat's ja auch ein paar Mal ordentlich gekracht.“ So schaffte Blödorn das Kunststück, sich in zwei EM-Qualirunden zwei Mal nicht zu qualifizieren – und dennoch in der EM dabei zu sein. Denn am Mittwoch nach dem Aus in Stralsund nominierte ihn der polnische EM-Ausrichter für eine der fünf permanenten Wildcards. „Damit hatte ich gar nicht mehr gerechnet, nachdem ich schon zwei Mal ausgeschieden bin. Mit dem Kapitel EM hatte ich nach Stralsund eigentlich schon abgeschlossen“, gesteht er. „Ich habe in den beiden Qualis auch gemerkt, dass dieses Feld vielleicht noch eine Nummer zu groß für mich ist und dass ich da vielleicht noch nicht unbedingt reingehöre. Aber den Startplatz nehme ich natürlich gerne an und freue mich auch darüber. Denn es kann für meine weitere Zukunft nur gut sein, wenn ich bei allen EM-Läufen dabei bin und entsprechend viel von diesem Feld lernen kann.“
Zwischen Stralsund und Debrecen haben die Terminplaner erst noch den englischen Ligapokal gesetzt: Donnerstagabend ist Rückkampf auf heimischem Geläuf gegen Birmingham. Das andere Halbfinale in Ipswich ist wegen der regnerischen Wettervorhersage bereits am Mittwoch abgesagt worden, doch in Manchester soll gefahren werden. Belle Vue-Star Brady Kurtz ist immer noch verletzt. Blödorn wird als Nummer 2 aufgestellt, hinter Dan Bewley. Teamchef Mark Lemon, von dem Blödorn sich einen großen Teil seines ganz besonderen holsteinisch-englisch-australischen Charmes abgeguckt hat, fordert von seiner Mannschaft „firepower“, um die Vierpunkteniederlage vom Montag umzudrehen. „Danach fliege ich direkt nach Budapest“, kündigt Blödorn an. „Klar, in Debrecen wird’s nicht einfach – bei dem Feld. Aber wenn ich in der SGP2 vorn mitfahren will, dann muss ich es halt schaffen, da unter die ersten 4 zu kommen. Das ist nun Mal so.“
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