Der finnische Tourist
- Norbert Ockenga
- 1. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Tero Aarnio erlebt eine Anreise mit Hindernissen und hofft bei der Paar-WM am Mittwochabend auf Einsätze trotz lädierten Fußes.
Tero Aarnio nimmt’s mit einer stoischen Lakonie. „Dann mache ich halt ein bisschen Sightseeing in Berlin“, zuckt der 41-jährige Finne am Dienstagnachmittag die Achseln. „Es wird ja noch mindestens fünf Stunden dauern, bis mein Mechaniker aus Bad Zwischenahn hier ist.“
Aarnio ist gerade am BER gelandet. Doch der Kurierdienst DHL hat die Lieferung jener Motorräder, mit denen der Blondschopf am Mittwochabend als Ersatzmann der Finnen bei der Paar-WM an den Start geht, um beinahe zwei Tage verbummelt – sodass Jens Kreklau in Zwischenahn erst auf die Bikes warten muss, eher er sich auf die Autobahn gen Osten schwingen kann.
Kreklau unterhält so eine Art Finnische Speedwaybotschaft im Ammerland. Wann immer Finnen in seinem erweiterten Einzugsgebiet Rennen fahren, egal ob Speedway, Lang- und Grasbahn oder Eisspeedway, bietet er ihnen eine Anlaufstelle. In Bad Zwischenahn, einem Nobelkurort, in dem früher im Fußballstadion am Ortseingang noch Langbahn- und Speedwayrennen auf der Tartanbahn ausgetragen wurden.
Aarnio braucht für den zweiten Hauptrundenabend vom Speedway der Nationen seine Maschinen aus Finnland – und nicht jene, die er in Frankreich für die Einsätze in der dortigen Liga mit La Réole stationiert hat. Und die Einstoppstrategie der Anreise von Marmande, wo am Sonntag ein Nachholligarennen stattfindet, nach Thorn verzögert sich entsprechend.
Dann mache ich halt ein bisschen Sightseeing in Berlin. – Tero Aarnio
Jari Ahlbom, eigentlich Eisspeedwayfahrer, hat in Bad Zwischenahn in den späten Neunzigern ein Speedwayrennen bestritten und sich dabei so schwer verletzt, dass er eine gute Woche im Klinikum Links der Weser in Bremen in Behandlung war. Ausgerechnet dessen Sohn Henri war beim Finale der Langbahn-Team-WM im nahen Vechta beim ersten Einsatz nach einem Burnout in einen Sturz verwickelt, der ihm die Beweglichkeit in der Unterarmmuskulatur nahm – und der auch Teamkollege Aarnio mit ins Verderben riss. Ahlbom musste vom Hause Kreklaus mit dem Rettungswagen zur Behandlung nach Osnabrück gebracht werden – und Aarnio leidet seit dem Sturz unter einem entzündeten Nerv im rechten, dem kurvenäußeren Fuß: Er hat kein Gefühl dafür, ob der Fuß sich bewegt oder ob er ruhig gehalten ist.
Beim Langbahn-WM-Finale in Roden in der Vorwoche litt er da noch mehr drunter, als er im Videointerview mit bahndienst.com zugeben mochte. Jetzt, nach der Landung am BER, urteilt er: „Der Fuß ist deutlich besser geworden. Zwar noch nicht optimal, und auf der Langbahn wäre es immer noch problematisch. Doch im Speedway braucht man ihn nicht so doll. Deswegen reicht es für einen Einsatz bei voller Fitness beim Speedway der Nationen.“
Der ehemalige Englandprofi aus Kuusankoski im Süden Finnlands ist als Ersatzmann aufgeboten. Doch die Finnen haben eine ramponierte Mannschaft: Jesse Mustonen ist nach einem Sturz noch nicht wieder voll auf dem Damm. So hofft Aarnio, dass Teammanager Aki-Pekka „Appe“ Mustonen ihm auch Einsätze spendiert – wenn er im Training am Nachmittag beweisen könne, dass er gut genug drauf sei.
Eine besondere Krankengymnastik oder Heilung für den rechten Fuß hätte er nicht versucht. „Der Nerv ist beschädigt, da hätte das nichts gebracht. Das muss von selbst ausheilen. Meine Physio besteht darin, dass ich auf meinen Fuß starre – und versuche, die Informationsflüsse zwischen meinem Hirn und dem Fuß irgendwie wieder zum Laufen zu bringen.“

Aarnio fährt Motoren des schleswig-holsteinischen Tuners Matthias „Matten“ Kröger. „Der macht die Motoren genau so, wie ich glaube, dass sie gut funktionieren. Das wird das erste Mal, dass wir seine Motoren jetzt auf einer großen Bühne verwenden. Es gibt zwei Typen von Fahrern. Manche wollen so viel Leistung wie möglich, dann müssen die Fahrer das Setup treffen, um damit auf den verschiedenen Bahnbelägen rumzukommen. Und manche Fahrer wollen, das die Motoren eher die Arbeit machen. Ich möchte, dass der Motor so viel Leistung hat wie möglich hat und dass ich dann mit der Abstimmung viel arbeiten muss. Ich habe noch nie viel Geld gehabt, hatte also auch nieviele Motoren – für mich ist es einfacher, die Motoren an verschiedene Bahnen anzupassen. Das habe ich während meiner ganzen Jahre so gelernt. Ich arbeite vor allem am Radstand. Ein kürzerer Radstand bedeutet: ein aggressiveres Motorrad. Das ist für Thorn gefragt.“
Anders als Mustonen und Antti Vuolas, fährt Aarnio kaum Speedway, sondern konzentriert sich auf die Langbahnszene. Dort ist er auch im kommenden Jahr in der WM dabei. Auf der kurzen Bahn ist er nur für La Réole in der Franzosenliga regelmäßig im Einsatz, Starts für Masarna in der schwedischen Liga scheiterten dieses Jahr an Terminüberschneidungen mit Langbahn-Grands Prix. „Aber die Französische Liga war ein gutes Training“, beteuert Aarnio. „Ich glaube, dass ich jetzt bereit bin für die Paar-WM.“
Auch wenn es in Marmande reichlich hoch hergegangen sei: Ein Ausfall auf Platz 2 liegend, gesteht er, hätte Le Réole einen möglichen zweiten Platz in der Endabrechnung gekostet. Der Grund? Ein Problem an der Zündung. „Danach wäre die Maschine fast in Flammen aufgegangen.“
Die Dramatik macht schnell wieder seiner üblichen Langmut Platz. „Aber so schlimm war’s nun auch wieder nicht. Ich konnte im nächsten Lauf wieder mit demselben Motorrad weitermachen.“
Wie viele Punkte er am Ende in Südfrankreich geschrieben hätte? „Das“, winkt Aarnio ab, „brauchst Du gar nicht so genau zu wissen.“ Denn die sieben Zähler laufen seinem Ehrgeiz zuwider.
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