Hier kommt der Eierbahnmann
- Norbert Ockenga
- vor 11 Minuten
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Lukas Fienhage stammt zwar aus Lohne, hat aber am Wochenende beim zweiten Langbahn-Grand Prix in Marmande Heimrecht – und Grund zum Optimimusmus.
Avanciert er zum härtesten Gegner von Weltmeister Martin Smolinski? Lukas Fienhage bestreitet am Sonntag sein Heimrennen in der Langbahn-WM – auf seiner erklärten Lieblingsbahn. Und er kommt mit einer gehörigen Portion Rückenwind nach zum zweiten Grand Prix nach Marmande – schließlich hat der 25-Jährige beim Saisonauftakt in Mühldorf seine bislang beste Platzierung auf der bayerischen 1.000-Meterbahn erreicht. „Und Mühldorf“, sinniert der Niedersachse, der in Südfrankreich zuhause ist, „gehört nun nicht gerade zu meinen Lieblingsbahnen.“
Unterschiedlicher als Marmande und Mühldorf können zwei Bahnen in ein und derselben Bahnsportsparte wohl kaum ausfallen: Nach der Vollgasorgie und Tempobolzerei in Bayern wartet in der Weinbauregion Südfrankreichs eine Piste, über die Fienhage sagt: „Das ist schon ein gewaltiges Ei.“
Denn das Layout der Bahn ist asymmetrisch. „Die erste Kurve ist eine 90-Gradecke, dann kommt eine 20 bis 30 Meter lange Minigerade, danach wieder eine 90-Gradecke“, beschreibt Fienhage. „Die zweite Kurve ist dagegen rund und flüssig.“
Das ist schon ein gewaltiges Ei. – Lukas Fienhage
Der eckige Charakter des oberen Streckenabschnitts zwingt der Abstimmung einen Kompromiss auf: bei den Motoren, aber auch bei der Positionierung des Hinterrads im Rahmen. Der Radstand muss deutlich verkürzt werden, weil die alte Schiffsbauweisheit, „Länge läuft“ zwar für das lange und schnelle Mühldorf vom Feinsten passt, im hakeligen Marmande aber nicht gefragt ist. „Man darf den Radstand aber auch nicht zu kurz machen, weil das Motorrad dann zu unruhig wird“, bremst Fienhage. „Denn Marmande hat auch die Eigenschaft, schnell Rillen zu bilden. Das kann sogar tendenziell gefährlich werden – auch wenn das in den vergangenen Jahren nicht mehr ganz so schlimm war. Die Veranstalter haben die Bahn da gut im Griff.“
Das ist auch wegen des Wetters wichtig. In den letzten drei Wochen hat es dort unten nur einen einzigen Tag geregnet – am Sonntag von Mühldorf. Ansonsten herrschten immer mehr mehr als 30 Grad und sommerlicher Sonnenschein. Dennoch geht Fienhage davon aus, dass sich das Staubfiasko von St. Macaire beim dortigen Grasbahn-EM-Halbfinale auf der Nachbarbahn nicht wiederhole, dazu sei der Bahndienst zu gut – und schon emsig am Wasserfahren.

Marmande hat in den Neunzigern Bahnsportgeschichte geschrieben – mit einem offenen Grasbahnrennen, das Vorreiter beim Zusammenspiel von Show und Sport war. Eine riesen Soundanlage wummerte Beats aus dem Infield in die Zuschauerbereiche. Das Futlicht verwandelte den Abend vom Nationalfeiertag des Sturms auf die Bastille in ein stimmungsvolles Licht, ein standesgemäßes Feuerwerk rundete den Abend ab – und zwischendrin drehte Simon Wigg eine Ehrenrunde nach der anderen nur auf dem Hinterrad, frenetisch angefeuert von einem Bahnsprecher, der „Simon Wheeeeeeeelie-Wigg“ in Endlosschleife wiederholte.
Gerd Sievers hat dieses Prinzip mit dem „Hammer“ von Wolfslake und dem „Master of Spikes“ im Eisspeedway in Berlin-Hohenschönhausen in Deutschland umgesetzt, der MC Güstrow schreibt es nun mit dem Pfingstpokal noch eine Portion extremer fort.
Marmande ist immer noch ein Festival, aber eines, bei dem Relation von Sport, Show und Party stimmig ist und der Wettbewerb nicht unter dem Rahmenprogramm leidet – anders als etwa beim 24-Stundenrennen auf dem Nürburgring. Und Marmande ist auch immer noch eine Grasbahn. „Aber schon nach dem Training ist kein Gras mehr drauf“, lacht Fienhage, „dann fährt man nur noch auf Lehm. Oder besser gesagt: Das Gras ist nur noch extrem weit draußen drauf. Man muss an der Wand fahren, um Vortrieb zu kriegen – am Ein- und auch am Ausgang der Kurven.“
In Mühldorf, wo er Dritter wurde, ist ein völlig anderer Stil gefragt. „Ich habe in Mühldorf schon immer ein Problem am Start gehabt, weil der Belag dort auf den ersten Metern durch die tiefen Rillen Griff hat. Aber nach extra tiefen ersten zwei Metern ist es schwer, weiter Griff zu bekommen, weil die Bahn dann sofort sehr hart wird. Im ersten Moment steigt die Maschine, dann hat man das Gefühl, dass sie runterfällt, weil sie sofort anfängt durchzudrehen.“ Das hätte sich auch durch den neuen Belag, der 2025 aufgebracht worden ist, nicht geändert: „In den Kurven ist es dadurch rolliger geworden, aber auf den Geraden ist es immer noch hart geblieben.“
In Mühldorf baute Fienhage nach dem morgendlichen Training einen kürzeren ersten Gang ein, schob sich mit der Abstimmung dann sicher ins Finale, wo er allerdings von der Startproblematik eingeholt wurde: „Ich fing mir direkt Wheelspin ein. Wenn man ein Mal so anfängt, ist es schwer – ich hatte danach im Finale nicht mehr zu kämpfen.“ Aus der einsamen und ereignisarmen Fahrt auf Rang 4 wurde Platz 3, als Chris Harris während der Verfolgung des späteren Siegers Martin Smolinski ausrollte.
Auf dem Treppchen stand Fienhage in Mühldorf noch nie. Für Marmande baut er jenen Motor von Tuner Robert Barth wieder ein, mit dem er im Vorjahr in Frankreich gefahren war: „Der ist über die Verdichtung und die Kurbelwelle deutlich anders abgestimmt. In der anderen Maschine haben wir den Motor von Mühldorf dringesessen, falls die Bahn doch komplett unterschiedlich sein sollte.“
Marmande, lächelt Fienhage, sei seine erklärte Lieblingsbahn, der Barth-Motor vom Vorjahr passe optimal dazu. „Das hat sich in der Vergangenheit bewahrheitet: Letztes Jahr konnte ich den Grand Prix dort gewinnen.“
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